Sioux kämpfen gegen Pipeline
Der republikanische Gouverneur erteilte die Genehmigung im Eilverfahren. Doch der Protest hat gewaltige Ausmaße erreicht. Tausende kampieren in der Prärie.
Jeden Tag wächst das Lager am Ufer des Cannonball River um ein paar neue Tipis. Indianer aus allen Teilen Dakotas strömen herbei, um den Bewohnern der „Standing Rock Sioux Reservation“zur Seite zu stehen. Auch aus den Küstengebieten des Nordwestens und den übrigen großen Prärien kommt Verstärkung. Die Sioux sehen ihre Lebensgrundlagen durch ein 3,3 Milliarden Euro teures Pipelineprojekt gefährdet, das ein texanisches Unternehmen trotz des Widerstands der Einheimischen realisieren will.
Seit April protestieren die Sioux gegen die knapp 2000 Kilometer lange Leitung, die sich durch das Land ihrer Vorväter mit seinen heiligen Grabstätten schlängelt und das Trinkwasser der Flüsse gefährdet, unter denen sie verläuft. Die Kritiker des Projekts sehen nicht nur eine Bedrohung für die Indianer, sondern für Millionen weiterer Amerikaner, die von diesen Frischwasserressourcen abhängen.
Die Firma Energy Transfer Partners betont, der Pipelinebau liefere einen wichtigen Beitrag, um die USA von Ölimporten unabhängig zu machen. Die sogenannte Dakota Access Pipeline soll täglich rund 470.000 Barrel Fracking-Öl aus dem Bakken-Feld in North Dakota bis nach Illinois durch die Prärie pumpen. Die Leitung sei „absolut sicher“, behauptet das Unternehmen. Die Kontrolle erfolgt mit moderner Monitortechnik der Leitungen von Texas aus.
Der Bundesstaat North Dakota genehmigte die Ölleitung im Eiltempo, nachdem Präsident Barack Obama die riesige Keystone-XLPipeline gestoppt hatte, die Schweröl aus den Teersandgebieten Kanadas bis zu den Raffinieren nach Texas hätte pumpen sollen. Die Indianer klagen, in dem Verfahren einmal mehr übergangen worden zu sein.
Häuptling Dave Archambault II sieht einen historischen Kontext. Die Erinnerung der mehreren Tausend Ureinwohner, die am Zusammenfluss des Cannonball und Missouri River kampieren, geht zurück bis zur Schlacht am Little Bighorn und dem Massaker am Wounded Knee Creek. Es ist eine Geschichte voller Unrecht, Täuschungen und falscher Versprechungen. Häuptling Archambault II erkennt ein Muster, das sich wiederholt. Der General Custer der Neuzeit heißt für ihn Jack Dalrymple, ist Gouverneur von North Dakota und ein Berater des Rechtspopulisten Donald Trump. „Der Staat hat mein Reservat militarisiert, die Straßen blockiert, Kontrollpunkte eingerichtet, Flugzeuge im Tiefflug geschickt und Indianer einer Sonderbehandlung zugeführt“, beschwert sich der Führer der Sioux über das Vorgehen Dalrymples, dem er vorhält, friedliche Proteste zu kriminalisieren.
Weil es einfach nicht genügend Polizisten gibt, um die Blockade der Pipeline-Baukolonne zu stoppen, rief Dalrymple am Freitag den Notstand aus. Er nannte die Proteste „ungesetzlich“und sprach von einer „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“. Häuptling Archambault II wurde mit zwei Dutzend anderen Demonstranten vorübergehend festgenommen. Die angeblich beobachteten Rohrbomben stellten sich als rituelle Indianerpfeifen (Chanupa) heraus.
Unterstützung erhalten die Ureinwohner in Washington, wo mehr als hundert Sympathisanten am Donnerstag bei einer Anhörung vor dem zuständigen Bundesgericht protestierten. Dort hängt eine Klage an, mit der die Organisation Earthjustice den Bau stoppen oder aufhalten will, bis es umfassende Umweltgutachten und eine ordentliche Beteiligung der Indianer gibt. Die Entscheidung wird für den 9. September erwartet.
Egal wie sie ausfällt, der Kampf geht weiter: „Wir haben einen Wendepunkt erreicht“, sagt Häuptling Archambault II.
Der Bau der Pipeline wurde inzwischen eingestellt. Nach Angaben von Energy Transfer Partners wurden Arbeiter bedroht.