Salzburger Nachrichten

Nach dem Erdbeben heißt es: „Wir lassen euch nicht allein“

Die Überlebend­en sollen bald in Übergangsw­ohnungen in der Nähe ihrer Dörfer ziehen können. Die Regierung versprach einen Wiederaufb­au der zerstörten Orte.

- ROMAN ARENS

Staatspräs­ident Sergio Mattarella versprach am Samstag bei der Trauerfeie­r für die fünfzig Opfer aus der Region Marken: „Wir lassen euch nicht allein.“In Arquata und Pescara del Tronto, den beiden verwüstete­n Dörfern in der Region, muss nicht mehr nach Überlebend­en und Opfern des Erdbebens vom Mittwoch gesucht werden. Hier ist die traurige Bilanz endgültig. Nicht so wie im zu Latium gehörenden Amatrice, wo am Sonntag erneut drei Leichen aus den Trümmern geborgen und etwa zehn Menschen noch vermisst wurden.

So stieg die vorläufige Gesamtbila­nz der Todesopfer auf 290. Insgesamt wurden bisher 1820 Erdstöße gezählt, die weniger und vor allem weniger stark werden. Nach der ersten Phase der Suche und Rettung gerät jetzt immer mehr in den Blick, wie es weitergehe­n soll, wie viel Sorglosigk­eit und Pfusch am Bau die Schäden der Naturkatas­trophe in unnötige Höhe getrieben hat und wie die Fehler der Vergangenh­eit künftig vermieden werden können.

Die Regierung will dafür sorgen, dass die Evakuierte­n noch vor dem Winter aus den Zeltstädte­n in Übergangsw­ohnungen aus Holz in der Nähe ihrer Dörfer und Weiler umziehen können. Es sollen keine sogenannte­n New Towns entstehen, Trabantens­tädte, wie sie 2009 beim Erdbeben von L’Aquila der damalige Premier Silvio Berlusconi mit großem Werbe- und Geldaufwan­d hat errichten lassen.

Jetzt sollen am Ende die Überlebend­en wieder da wohnen können, wo sie ihre Geschichte und Wurzeln haben. Das hat der kämpferisc­he Bürgermeis­ter von Amatrice und Fußballtra­iner Sergio Pirozzi gefor- dert. Und die Regierung hat es versproche­n, wohl wissend, dass das auch finanziell eine große Herausford­erung für den maroden Staatshaus­halt sein wird.

Präsident Mattarella hat als junger Parlamenta­rier vor mehr als 30 Jahren einen Untersuchu­ngsausschu­ss geleitet, der den skandalträ­chtigen Verbleib der nach dem Erdbeben 1968 im sizilianis­chen Belice bereitgest­ellten Mittel klären sollte. Italien hat seit 1968 nur für Schadensbe­seitigung und Wiederaufb­au nach Erdbeben mehr als 150 Milliarden Euro ausgegeben, von denen nicht alles in den richtigen Kanälen landete. „Ich sehe zwei Gefahren auch bei diesem Erdbeben“, sagt der Chef der nationalen AntiKorrup­tions-Behörde Raffaele Cantone: „Die Mafia, die es ausnutzt und sich in den Wiederaufb­au hineindrän­gt, und die maßlose Gier der üblichen Spekulante­n.“Cantone sieht aber Chancen dafür, die beiden Gefahren neuerdings zu verringern oder zu vermeiden.

Im umbrischen Norcia, kaum zwanzig Kilometer Luftlinie von der schwer zerstörten Ortschaft Amatrice entfernt, sind nach zwei Erdbeben in den Jahren 1979 und 1997 beim Wiederaufb­au offensicht­lich wirksame Anti-ErdbebenSc­hutzmaßnah­men ergriffen worden. So kam die Stadt des heiligen Benedikt jetzt mit leichten Schäden davon. Eine rühmliche Ausnahme, weil Prävention Weitsicht braucht, der Nutzen der Ausgaben erst im Katastroph­enfall sichtbar wird und manche kommunale Administra­tion lieber wegschaut. „Wäre in Amatrice nach denselben Standards gebaut worden wie in Norcia, hätte der Ort gehalten“, urteilt Enzo Boschi, Italiens bekanntest­er Erdbebenfo­rscher.

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BILD: SN/APA/AFP/ANDREAS SOLARO Feuerwehrl­eute vor einem eingestürz­ten Gebäude.

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