Im Wohnbau steht ein Boom bevor
Fast 63.000 neue Wohnungen sollen im Jahr 2018 neu errichtet werden. Der Bedarf ist groß.
Die Mieten steigen, die Bevölkerung wächst, nicht zuletzt wegen der Migranten, die Asyl erhalten werden, und Österreich hat Aufholbedarf beim Schaffen von günstigem Wohnraum. Nimmt man die Baubewilligungen als Gradmesser, dann ist Abhilfe in Sicht. Österreich steht in den nächsten drei Jahren ein Boom im Wohnungsneubau bevor.
Die Zahl der Baubewilligungen liegt bis 2018 konstant über 65.000 Einheiten (Eigenheime und großvolumiger Wohnbau), im Jahr 2018 erwarten Experten daher die Fertigstellung von knapp 63.000 Wohnungen. Das sollte in den Ballungszentren, wo derzeit günstige Wohnungen fehlen, zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen.
In Salzburg, Tirol und Vorarlberg liegen die Preise für neu vermietete Wohnungen im Durchschnitt um zwei bis drei Euro je Quadratmeter über jenen in den übrigen Bundesländern, Wien bildet mit 9,2 Euro Nettomiete die Spitze. 2015 sind die Mieten in Österreich um 4,4 Prozent gestiegen, das allgemeine Preisniveau dagegen nur um 0,9 Prozent. Noch stärker angezogen haben die Preise für Eigentumswohnungen, die sich in den vergangenen Jahren in Österreich um 30 Prozent verteuert haben. Ungeachtet dessen ist die Belastung der Österreicher durch die Wohnkosten mit 18 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens um rund vier Prozentpunkte geringer als im EU-Durchschnitt.
WIEN. Daran, dass die Mieten in Österreich vor allem in Städten stark gestiegen sind, lässt sich nicht rütteln. Das tun die Autoren des Wohnhandbuches 2016 auch nicht, schließlich sei ihnen daran gelegen, „objektive Daten für einen ideologiedurchtränkten Bereich zu liefern“, wie Koautor Klaus Lugger, Geschäftsführer der Neuen Heimat Tirol, am Montag sagte. Zur Wahrheit über Österreichs Wohnungsmarkt gehöre aber eben auch, dass die Belastung mit Wohnkosten mit 18 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens in Österreich im internationalen Vergleich „stabil niedriger“sei, sagt Lugger.
Dass der starke Anstieg der Mieten (4,4 Prozent im Jahr 2015 bei 0,9 Prozent Inflation) in Österreich so stark durchschlage, habe auch mit dem gut entwickelten Mietsektor und der vergleichsweise geringeren Eigentumsquote zu tun. Als Nachteil empfindet das der geschäftsführende Gesellschafter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen, Wolfgang Amann, nicht. Gerade wirtschaftlich starke Länder wie die Schweiz, Deutschland oder Schweden zeichneten sich durch hohe Mietquoten aus. Damit gehe eine sowohl quantitativ wie auch qualitativ gute Wohnungsversorgung der Bevölkerung einher. Allerdings gebe es dabei regional sehr große Unterschiede, sagt Amann, „leistbare Wohnungen in den Ballungszentren fehlen“. Der Wohnungsmarkt lässt sich in zwei Gruppen teilen. In Ober- und Niederösterreich, Kärnten, der Steiermark und im Burgenland betrugen die Preise für neu vermietete Wohnungen 2015 zwischen sechs und 6,80 Euro. In Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien muss man 8,50 bis 9,20 Euro pro Quadratmeter zahlen.
Bundesweit sei die Entwicklung mit durchschnittlich 7,5 Euro/m2 allerdings „nicht beunruhigend“, sagte Amann, zuletzt habe es sogar eine Stabilisierung gegeben. Anders ist die Lage bei Eigentumwohnungen, die laut dem EU-weiten Hauspreisindex in den vergangenen fünf Jahren um 30 Prozent zugelegt haben. Eine Erklärung dafür ist wohl auch das, was Lugger mit dem Slogan „Grundbuch schlägt Sparbuch“umschreibt. Die im Gefolge der Finanzkrise eingeschlagene Niedrigzinspolitik der Notenbanken hat viele dazu gebracht, in Immobilien zu investieren, und das schlägt auf die Preise durch. Andererseits sei mit der Geldpolitik der EZB auch die Finanzierung von Wohnraum günstiger geworden, sagt der Chef der s-Bausparkasse, Josef Schmidinger. In drei bis fünf Jahren könnte das möglicherweise wieder anders sein.
Seit dem Jahr 1971 habe sich das Angebot an Wohnraum pro Jahr um ein Prozent erhöht, sagt Amann, die gesamte Wohnfläche sei von 250 auf 400 Mill. m2 gestiegen. Zudem habe sich die Fläche pro Person von 23 auf 46 m2 verdoppelt. Dahinter steht nicht nur ein gestiegener Anspruch nach Wohnraum, sondern auch eine massive Verschiebung in der Wohnform. Seit dem Jahr 1990 weist die Statistik einen steilen Anstieg der Ein-Personen-Haushalte aus. Ihre Zahl soll von derzeit 1,4 bis zum Jahr 2050 auf mehr als 1,8 Millionen steigen. Bei Zwei-PersonenHaushalten wird ebenfalls eine Zunahme prognostiziert, sie verläuft allerdings flacher und soll 2050 bei 1,4 Millionen zu liegen kommen.
Auch Christian Struber, Chef der Salzburg Wohnbau und Obmann der ARGE Eigenheim, lenkt den Blick auf die demografische Entwicklung. Von den rund 90.000 Personen, die 2015 einen Antrag auf Asyl in Österreich gestellt haben, würden rund 30.000 einen positiven Bescheid erhalten. Das berechtige sie auch zum Familiennachzug, sodass man von zusätzlich benötigtem Wohnraum für zumindest 60.000 Personen ausgehen müsse.
Den Ruf nach „leistbarem“Wohnen kann Struber hingegen „nicht mehr hören“, denn wann immer der ertöne, „wird es teurer“. Den Grund dafür sieht der Sprecher der gemeinnützigen Bauvereinigungen vor allem in überbordender Regulierung, in kostspieligen baurechtlichen Vorschriften sowie nachteiligen steuerlichen Änderungen. „Bei der Regulierung brauchen wir einen Stopp und eine Rolle rückwärts im positiven Sinn“, fordert Struber.