Salzburger Nachrichten

Im Wohnbau steht ein Boom bevor

Fast 63.000 neue Wohnungen sollen im Jahr 2018 neu errichtet werden. Der Bedarf ist groß.

- RICHARD WIENS

Die Mieten steigen, die Bevölkerun­g wächst, nicht zuletzt wegen der Migranten, die Asyl erhalten werden, und Österreich hat Aufholbeda­rf beim Schaffen von günstigem Wohnraum. Nimmt man die Baubewilli­gungen als Gradmesser, dann ist Abhilfe in Sicht. Österreich steht in den nächsten drei Jahren ein Boom im Wohnungsne­ubau bevor.

Die Zahl der Baubewilli­gungen liegt bis 2018 konstant über 65.000 Einheiten (Eigenheime und großvolumi­ger Wohnbau), im Jahr 2018 erwarten Experten daher die Fertigstel­lung von knapp 63.000 Wohnungen. Das sollte in den Ballungsze­ntren, wo derzeit günstige Wohnungen fehlen, zur Entspannun­g auf dem Wohnungsma­rkt beitragen.

In Salzburg, Tirol und Vorarlberg liegen die Preise für neu vermietete Wohnungen im Durchschni­tt um zwei bis drei Euro je Quadratmet­er über jenen in den übrigen Bundesländ­ern, Wien bildet mit 9,2 Euro Nettomiete die Spitze. 2015 sind die Mieten in Österreich um 4,4 Prozent gestiegen, das allgemeine Preisnivea­u dagegen nur um 0,9 Prozent. Noch stärker angezogen haben die Preise für Eigentumsw­ohnungen, die sich in den vergangene­n Jahren in Österreich um 30 Prozent verteuert haben. Ungeachtet dessen ist die Belastung der Österreich­er durch die Wohnkosten mit 18 Prozent des verfügbare­n Haushaltse­inkommens um rund vier Prozentpun­kte geringer als im EU-Durchschni­tt.

WIEN. Daran, dass die Mieten in Österreich vor allem in Städten stark gestiegen sind, lässt sich nicht rütteln. Das tun die Autoren des Wohnhandbu­ches 2016 auch nicht, schließlic­h sei ihnen daran gelegen, „objektive Daten für einen ideologied­urchtränkt­en Bereich zu liefern“, wie Koautor Klaus Lugger, Geschäftsf­ührer der Neuen Heimat Tirol, am Montag sagte. Zur Wahrheit über Österreich­s Wohnungsma­rkt gehöre aber eben auch, dass die Belastung mit Wohnkosten mit 18 Prozent des verfügbare­n Haushaltse­inkommens in Österreich im internatio­nalen Vergleich „stabil niedriger“sei, sagt Lugger.

Dass der starke Anstieg der Mieten (4,4 Prozent im Jahr 2015 bei 0,9 Prozent Inflation) in Österreich so stark durchschla­ge, habe auch mit dem gut entwickelt­en Mietsektor und der vergleichs­weise geringeren Eigentumsq­uote zu tun. Als Nachteil empfindet das der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen, Wolfgang Amann, nicht. Gerade wirtschaft­lich starke Länder wie die Schweiz, Deutschlan­d oder Schweden zeichneten sich durch hohe Mietquoten aus. Damit gehe eine sowohl quantitati­v wie auch qualitativ gute Wohnungsve­rsorgung der Bevölkerun­g einher. Allerdings gebe es dabei regional sehr große Unterschie­de, sagt Amann, „leistbare Wohnungen in den Ballungsze­ntren fehlen“. Der Wohnungsma­rkt lässt sich in zwei Gruppen teilen. In Ober- und Niederöste­rreich, Kärnten, der Steiermark und im Burgenland betrugen die Preise für neu vermietete Wohnungen 2015 zwischen sechs und 6,80 Euro. In Salzburg, Tirol, Vorarlberg und Wien muss man 8,50 bis 9,20 Euro pro Quadratmet­er zahlen.

Bundesweit sei die Entwicklun­g mit durchschni­ttlich 7,5 Euro/m2 allerdings „nicht beunruhige­nd“, sagte Amann, zuletzt habe es sogar eine Stabilisie­rung gegeben. Anders ist die Lage bei Eigentumwo­hnungen, die laut dem EU-weiten Hauspreisi­ndex in den vergangene­n fünf Jahren um 30 Prozent zugelegt haben. Eine Erklärung dafür ist wohl auch das, was Lugger mit dem Slogan „Grundbuch schlägt Sparbuch“umschreibt. Die im Gefolge der Finanzkris­e eingeschla­gene Niedrigzin­spolitik der Notenbanke­n hat viele dazu gebracht, in Immobilien zu investiere­n, und das schlägt auf die Preise durch. Anderersei­ts sei mit der Geldpoliti­k der EZB auch die Finanzieru­ng von Wohnraum günstiger geworden, sagt der Chef der s-Bausparkas­se, Josef Schmidinge­r. In drei bis fünf Jahren könnte das möglicherw­eise wieder anders sein.

Seit dem Jahr 1971 habe sich das Angebot an Wohnraum pro Jahr um ein Prozent erhöht, sagt Amann, die gesamte Wohnfläche sei von 250 auf 400 Mill. m2 gestiegen. Zudem habe sich die Fläche pro Person von 23 auf 46 m2 verdoppelt. Dahinter steht nicht nur ein gestiegene­r Anspruch nach Wohnraum, sondern auch eine massive Verschiebu­ng in der Wohnform. Seit dem Jahr 1990 weist die Statistik einen steilen Anstieg der Ein-Personen-Haushalte aus. Ihre Zahl soll von derzeit 1,4 bis zum Jahr 2050 auf mehr als 1,8 Millionen steigen. Bei Zwei-PersonenHa­ushalten wird ebenfalls eine Zunahme prognostiz­iert, sie verläuft allerdings flacher und soll 2050 bei 1,4 Millionen zu liegen kommen.

Auch Christian Struber, Chef der Salzburg Wohnbau und Obmann der ARGE Eigenheim, lenkt den Blick auf die demografis­che Entwicklun­g. Von den rund 90.000 Personen, die 2015 einen Antrag auf Asyl in Österreich gestellt haben, würden rund 30.000 einen positiven Bescheid erhalten. Das berechtige sie auch zum Familienna­chzug, sodass man von zusätzlich benötigtem Wohnraum für zumindest 60.000 Personen ausgehen müsse.

Den Ruf nach „leistbarem“Wohnen kann Struber hingegen „nicht mehr hören“, denn wann immer der ertöne, „wird es teurer“. Den Grund dafür sieht der Sprecher der gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen vor allem in überborden­der Regulierun­g, in kostspieli­gen baurechtli­chen Vorschrift­en sowie nachteilig­en steuerlich­en Änderungen. „Bei der Regulierun­g brauchen wir einen Stopp und eine Rolle rückwärts im positiven Sinn“, fordert Struber.

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BILD: SN/FOTOLIA Fast 63.000 Wohnungen sollen im Jahr 2018 in Österreich neu gebaut werden.
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Christian Struber, ARGE Eigenheim „Stopp bei der Regulierun­g ist überfällig.“

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