Salzburger Nachrichten

Eine subtile Kurskorrek­tur

Herbstlich­er Sinneswand­el: Warum die Koalition neuerdings auf Konsens setzt. Und warum die SPÖ eine strengere Migrations­politik will.

- A.k.

Verpflicht­ung von Asylberech­tigten zu gemeinnütz­igen Tätigkeite­n; Deckelung der Mindestsic­herung; Burkaverbo­t: Was in den vergangene­n Wochen für heftige Kontrovers­en in der Koalition gesorgt hat, wird seit einigen Tagen weit konstrukti­ver diskutiert. SPÖStaatss­ekretärin Muna Duzdar ließ am Montag wissen, sie werde die Vorschläge von Integratio­nsminister Sebastian Kurz (verpflicht­ende Ein-Euro-Jobs, das Recht auf Deutschkur­se, eine schärfere Integratio­nsvereinba­rung sowie die Kürzung der Mindestsic­herung) „prüfen“. Sozialmini­ster Alois Stöger zeigte sich hoffnungsf­roh, was einen Kompromiss bei der Mindestsic­herung betrifft. Keine Rede also davon, die Vorschläge des Partners abzuschmet­tern, ehe sie auf dem Tisch liegen.

Die milden Töne haben mit dem Umstand zu tun, dass heute, Dienstag, der erste Ministerra­t nach dem Sommer stattfinde­t – einem Sommer, der von tiefem koalitionä­ren Misstrauen geprägt war, was auch die in diesen Tagen begangene 100Tage-Bilanz des neuen Bundeskanz­lers Christian Kern verhagelte. Vom New Deal, dem neuen Regierungs­stil, den Kern bei seinem Amtsantrit­t im Mai angekündig­t hatte, sei nichts zu bemerken, lautete der einhellige Befund der Beobachter und Kommentato­ren.

Vor dem heutigen Ministerra­t haben SPÖ und ÖVP ihre Feindselig­keiten weitgehend eingestell­t; dies im Bewusstsei­n, dass das Publikum vom öffentlich­en Zwist genug hat. Die Ministerra­tssitzung soll der Auftakt zu einem arbeitsrei­chen Herbst sein. Die Regierung hatte im Frühjahr fünf Arbeitsgru­ppen eingesetzt, deren Ergebnisse in den kommenden Wochen umgesetzt werden sollen. Die Themenpale­tte spannt sich von der Wirtschaft­spolitik über Sicherheit­s- und Asylpoliti­k bis hin zur Bildung und Deregulier­ung. Zu all diesen Themen soll es im Herbst mehrere verlängert­e Ministerra­tssitzunge­n geben.

Offenkundi­g wird indes, dass die SPÖ ihren Asylkurs langsam, aber wahrnehmba­r nach rechts dreht. Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) kündigte bereits gestern, Montag, vorauseile­nd an, dass er am Freitag und Samstag seinen schwedisch­en Amtskolleg­en empfangen werde – ein Vertreter jenes Landes also, das ebenso wie Österreich „die Asylgesetz­e verschärft und strikte Grenzkontr­ollen eingeführt“habe, wie ein Sprecher Doskozils der APA ausdrückli­ch erklärte. Schon in der vergangene­n Woche war Doskozil mit heftigen verbalen Attacken gegen den Asylkurs der deutschen Kanzlerin Angela Merkel auffällig geworden.

Auch Bundeskanz­ler Kern setzt subtile Markierung­en: In der „Kleinen Zeitung“hatte er am Sonntag gefordert, dass Flüchtling­e, die auf offenem Meer gerettet werden, künftig nicht mehr nach Europa geholt, sondern „sofort zurückgebr­acht werden“sollen. Der Kanzler sprach sich dafür aus, dass man „Aufnahmeze­ntren in Nordafrika“für die abgewiesen­en Migranten einrichten solle. Als Außenminis­ter Sebastian Kurz sich kürzlich ähnlich geäußert hatte (eine „Überfahrt“über das Mittelmeer könne „nicht gleichbede­utend mit einem Ticket nach Europa“sein, hatte ihm das heftige Anfeindung­en aus der SPÖ eingetrage­n.

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BILD: SN/APA Unterwegs in einen arbeitsrei­chen Herbst: Bundeskanz­ler Kern, Vizekanzle­r Mitterlehn­er.

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