Das Ende der Leih-Omas
Eine wichtige Wiener Familieninstitution muss zusperren. Es scheitert an vielen kleinen Dingen.
WIEN. Andrea Beer weiß nicht mehr weiter. Seit 14 Jahren ist sie beim katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien für den Omadienst zuständig. Soll heißen: Sie kümmert sich um die Vermittlung von Pensionistinnen an Familien, die aus den verschiedensten Gründen dringend Unterstützung bei der Kinderbetreuung benötigen. Seit 1973 gibt es diese zur Institution gewordene Einrichtung in Wien nun schon. Oder besser: gab. Denn der Omadienst steht vor dem Aus. Die Stadt Wien hat die jährlichen Fördergelder von 20.000 Euro gestrichen. Andrea Beer fiel aus allen Wolken, als das E-Mail der Magistratsabteilung (MA) 10 bei ihr eintrudelte. Darin sei von Begründungen zu lesen gewesen, die sie als „fadenscheinige Ausreden“bezeichnet. Etwa, dass man nicht mehr den Förderrichtlinien entspreche.
Geschätzt 300 ältere Damen seien es, die derzeit (noch) Omadienst versehen. Das Stundenhonorar beträgt zehn Euro, was aber nur eine Empfehlung des Verbands ist. „Das ist etwas, was sich die Omas mit den Familien ausmachen“, sagt Beer. Hinzu kommt eine einmalige Vermittlungsgebühr von 90 Euro. „Im Gegenzug dafür suchen wir für die Familien so lang nach einer Oma, bis die richtige gefunden ist.“Es gibt Einstiegsgespräche, bei denen die Damen bekannt geben, welchen Altersgruppen sie sich gewachsen fühlen. Beer: „Die Nachfrage ist groß. Bei uns melden sich rund 500 Familien pro Jahr.“Sei es, weil der zugesagte Hortplatz für den Sprössling nun doch nicht verfügbar ist, ein Elternteil plötzlich beruflich unabkömmlich oder erkrankt ist. Regelmäßige Anfragen kommen auch von AMS und Jugendamt.
Ein Ende des Omadienstes wäre für „beide Seiten ein Wahnsinn“, meint Beer. „Es gibt Omas, die bis zu zehn Jahre bei den Familien bleiben. Da entstehen ganz besondere Bindungen.“
„Wir sind Opfer des derzeitigen Förderchaos der Stadt Wien“, ärgert sich Barbara Fruhwürth, die Vorsitzende des Katholischen Familienverbands. „Wir baden aus, was andere Kinderbetreuungseinrichtungen verursacht haben.“Damit spielt sie indirekt auf die Causa Kindergarten Alt-Wien an, dessen Betreiber über die Jahre insgesamt 6,6 Millionen Euro an Fördergeldern zweckentfremdet haben soll. Einerseits fördere die Stadt Wien die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, andererseits stoppe sie Unterstützungen von innovativen Betreuungsformen: „Das passt für uns nicht zusammen“, kritisiert Fruhwürth.
Erstaunt über die harschen Worte zeigte sich Daniela Cochlar, die Leiterin der Wiener Kindergärten. „Wenn es jetzt heißt, dass wegen uns die Kinder ihre Omas verlieren, muss ich schon sagen, dass wir nie die Omas gefördert haben, sondern immer Zusatzleistungen wie Kurse, Werbung oder Konfliktmanagement.“Der Omadienst sei lediglich einer Neubewertung zum Opfer gefallen.
Cochlar: „Wir haben eine Förderstrategie und sind draufgekommen, dass der Omadienst nicht mehr in unser Portfolio passt. Es ist doch ein völlig normaler Prozess, dass eine Produktpalette evaluiert wird. Wir sind die Wiener Kindergärten – der Omadienst ist ja so etwas wie ein Nanny-Service.“Das Argument, dass es sich bei 20.000 Euro um keine allzu große Summe handelt, will Cochlar nicht gelten lassen. „Es sind Steuergelder. Uns wird immer wieder vorgeworfen, dass wir nicht darauf aufpassen – wir passen sehr gut darauf auf.“Sie sei überrascht gewesen, dass der Omadienst durch den Ausfall der Förderung vom Aus bedroht wäre. „Deshalb wird es im Oktober noch ein Qualitätsgespräch geben“, sagt Cochlar.
Omadienst-Leiterin Andrea Beer will die Hoffnung nicht aufgeben: „Vielleicht springt jemand anderer ein. Es soll doch 20.000 Euro wert sein, diese tolle Einrichtung weiterzuführen.“