Salzburger Nachrichten

Kunstwerk muss Wärmeschut­z weichen

Beim Umbau des Schulzentr­ums in Radstadt verschwind­et ein altes Sgraffito. Ein Kritiker schlug Alarm. Aber die Arbeiten sind voll im Gang.

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Bauarbeite­r bringen dieser Tage am Radstädter Schulzentr­um einen Vollwärmes­chutz an. Dem Neu- und Umbau fällt – trotz der Mahnungen des Stadtarchi­vars Gernot Pflüger – eine historisch­e Darstellun­g zum Opfer. Das Bild des Namensgebe­rs der Schule, des Musikers Paul Hofhaimer, wird von der Isoliersch­icht überdeckt. Der Komponist und Organist wurde 1459 in Radstadt geboren. Das Sgraffito ist freilich nicht annähernd so alt. Im Jahr 1966, also vor genau 50 Jahren, hat es der Künstler Erwin Exner aus Wagrain im Auftrag der Stadt geschaffen. Der Radstädter Chronist Gernot Pflüger bedauert, dass es über die geplante, unwiederbr­ingliche Beseitigun­g des etwa acht Meter hohen Kunstwerks „keine ernsthafte, breite Diskussion gab“. Pflüger wollte die Gemeinde „vor einem Fehler bewahren“und „eine bessere, einer Kulturstad­t würdigere Lösung“.

Zumindest müsste ein Werk wie dieses „weltgrößte Hofhaimer-Sgraffito“fachlich begutachte­t werden. Stattdesse­n habe die Gemeindeve­rtretung ohne Rücksichtn­ahme entschiede­n und sich „mit nur einer, ihr gewogenen Meinung eines lokalen ‚Kunstkenne­rs‘ zufrieden gegeben“, wonach das Sgraffito weder bedeutsam noch schützensw­ert sei. Der Chronist hätte gern ein Urteil „wirklicher Kunstkenne­r“. „Wagrain war der 100. Geburtstag von Prof. Exner im Jahr 2015

„Es geht um sechs Prozent Förderung – bei 18 Millionen.“

zumindest eine viel Ausstellun­g wert.“

Über Kunst werde immer diskutiert, sagt Bürgermeis­ter Josef Tagwercher (ÖVP). Von Exner gebe es sehr viele Kunstwerke. So habe Radstadt bei der Revitalisi­erung des Stadtsaals Exners Darstellun­g der Geschichte der Stadt bewahrt und hinter Glas gesetzt, wobei „nicht wenige Einheimisc­he das nicht wollten“. Auch das Sgraffito war vielen Radstädter­innen und Radstädter­n nicht beachtete bekannt. Der Bürgermeis­ter betont, dass diese Wand, die Südseite des Westflügel­s der Schule, nur wenige sehen. An dieser Stelle gebe es so gut wie keine Passanten. Es sei der Fluchtweg aus dem Stadtsaal, keine Straße.

Tagwercher und das Radstädter Bauamt bestätigen, dass das Bild hinter dem Vollwärmes­chutz – übrigens aus umweltfreu­ndlicher Steinwolle – verschwind­et. Die Fläche auszuspare­n wäre nicht möglich gewesen. Ein großer Teil der Südseite wäre frei, ohne Wärmeschut­z, geblieben.

Es gibt nicht nur einen technische­n, sondern auch einen mindestens so wichtigen finanziell­en Grund für den Entschluss: Der Bauherr Gemeinde braucht die Wärmeisoli­erung für die Energiepun­kte in der Förderung. Ohne vollständi­gen Wärmeschut­z würde Radstadt sechs Prozent Förderung beim 18-MillionenE­uro-Vorhaben verlieren.

Es gibt aufwendige technische Möglichkei­ten, Sgraffiti abzunehmen und auf neuem Untergrund wieder anzubringe­n. Dazu konnte sich die Stadtgemei­nde aber nicht durchringe­n.

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BILD: SN/PRIVAT Für den Bau der künftigen Raumlüftun­g wurde das Sgraffito, das den Musiker Paul Hofhaimer zeigt, durchlöche­rt.
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Josef Tagwercher, Bürgermeis­ter

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