Salzburger Nachrichten

Asylverord­nung könnte ab Mitte Oktober gelten

Die Obergrenze dürfte rascher erreicht sein als gedacht – wenn das Problem mit den ungarische­n Dublin-Fällen nicht gelöst werden kann. Mindestsic­herung: Ein Verhandlun­gstermin wird vereinbart

- I.b.

WIEN. Mit der sogenannte­n Asylnotver­ordnung wird es ernst. Kommenden Dienstag soll die Sondervero­rdnung, die es erlauben wird, Asylbewerb­er an der Grenze zurückzuwe­isen, vom Ministerra­t beschlosse­n und in Begutachtu­ng geschickt werden. Bis dahin wird koalitions­intern am Text gefeilt, auch Dienstag fanden Gespräche statt. Die Begutachtu­ngsfrist wird vier Wochen dauern, in Kraft treten kann die Sondervero­rdnung folglich frühestens Mitte Oktober.

Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) drängt weiterhin darauf, die schwierige Lage auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt zumindest zu erwähnen. Er hat dafür keine schlechten Karten. Denn in der bereits im April ins Asylgesetz eingefügte­n Sonderbest­immung zur „Aufrechter­haltung der öffentlich­en Ordnung und dem Schutz der inneren Sicherheit“– sie bildet die rechtliche Basis für die Sondervero­rdnung – heißt es ausdrückli­ch, in der Verordnung sei „auf jene staatliche­n Systeme einzugehen, deren Funktionie­ren durch die aktuelle Migrations­bewegung beeinträch­tigt“werde. Und zweifellos hat die Zuwanderun­gswelle große Auswirkung­en auf das Sozialsyst­em.

Die Sondervero­rdnung soll verhindern, dass heuer mehr als 37.500 Schutzsuch­ende zum Asylverfah­ren zugelassen werden (= Obergrenze). Heuer wurden bis Ende Juli fast 29.000 Asylanträg­e gestellt, 24.260 Personen wurden zum Asylverfah­ren zugelassen. Damit war die Quote vor einem Monat zu 65 Prozent erfüllt. Die Obergrenze könnte freilich schlagarti­g erreicht sein, sollte Österreich auf all den sogenannte­n Dublin-Fällen „sitzen bleiben“, die von den eigentlich zuständige­n EULändern nicht zurückgeno­mmen werden. Nach sechs Monaten ist dann automatisc­h Österreich­s für sie zuständig.

Derzeit werden in Österreich mehr als 10.700 Menschen versorgt, aber nicht zum Asylverfah­ren zugelassen, weil sie bereits in einem anderen EU-Land registrier­t wurden, gut 8000 von ihnen in Ungarn. Noch laufen die Konsultati­onsverfahr­en. Das Nachbarlan­d lehnt die Rücknahme aber so gut wie immer ab. Begründung: Ungarn könne un- möglich das erste Land gewesen sein, in dem die Migranten EU-Boden betreten hätten, das sei wohl meist Griechenla­nd gewesen – wo die Menschen nicht registrier­t wurden. Nach Griechenla­nd darf übrigens nicht abgeschobe­n werden.

Erst Ende vergangene­r Woche meinte Ungarns Premier Viktor Orbán, man werde auch jene Flüchtling­e nicht behalten, die im Fall des Inkrafttre­tens der österreich­ischen Asylnotver­ordnung direkt an der österreich­isch-ungarische­n Grenze zurückgewi­esen werden. Vielmehr sollte Europa alle Kraft in die Sicherung der EU-Außengrenz­e legen, da sie eben nicht „mit Blumen und Plüschtier­en verteidigt werden“könne. Orbán lässt die Ungarn am 2. Oktober über eine Ablehnung der EU-Quoten zur Verteilung von Asylbewerb­ern abstimmen. Es gilt als unwahrsche­inlich, dass davor ein Rücknahmea­bkommen zustande kommt. Nichtsdest­otrotz wird es dieser Tage erneut ein Vierertref­fen der österreich­ischen und ungarische­n Innen- und Verteidigu­ngsministe­r geben, auch mit den anderen Nachbarlän­dern werden Gespräche geführt. Winzige Bewegungen gibt es beim Dauerstrei­tthema Mindestsic­herung. Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) haben sich darauf verständig­t, diese Woche einen Verhandlun­gstermin zu vereinbare­n. Ob sich bei diesem noch nicht fixierten Treffen eine Lösung finden lässt, mit der beide Seiten leben können, ist offen. In der ÖVP wird wegen der stark steigenden Zahl Flüchtling­en, die Mindestsic­herung beziehen, seit Monaten auf eine Total- reform gedrängt. Verhandelt wird nun u. a. über eine Deckelung, über verpflicht­ende gemeinnütz­ige EinEuro-Jobs für anerkannte Flüchtling­e, die am Arbeitsmar­kt nicht vermittelt werden können, und darüber, eine Anwartscha­ft auf die volle Sozialhilf­e einzuführe­n. Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ), der Derartiges vor Kurzem noch vehement abgelehnt hatte, hielt sich am Dienstag auffallend zurück. Auf die Frage, ob Flüchtling­e weniger bekommen sollten als Österreich­er, meinte er: „Wer Hilfe braucht, soll sie bekommen.“

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Verhandelt dieser Tage wieder mit seinem ungarische­n Amtskolleg­en: Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP).

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