Das Ende des Foyers
Kreisky, schau oba! Kanzler Christian Kern beendet eine fast 50-jährige Tradition.
„Gegründet von Victor Adler, zugesperrt von Franz Vranitzky“, hieß es 1991 beim Ende der sozialistischen „Arbeiterzeitung“. Jetzt könnte man sagen: „Eingeführt von Bruno Kreisky, abgeschafft von Christian Kern.“Gemeint: das Pressefoyer nach dem Ministerrat.
Christian Kern hat entschieden, dass nach der wöchentlichen Regierungssitzung ab sofort nicht mehr Kanzler und Vizekanzler vor die Presse treten. Stattdessen sollen die beiden Regierungskoordinatoren die Medien informieren. Das sind Kulturminister Thomas Drozda für die SPÖ und Staatssekretär Harald Mahrer für die ÖVP.
Als Grund für diese informationstechnische Neuerung wird kolportiert, dass Kern mit dem Ablauf der Pressefoyers unzufrieden war. Die Journalisten seien nicht an den Sitzungsinhalten, sondern nur an Wortspenden von Kanzler und Vizekanzler interessiert gewesen, um daraus einen Koalitionskrach konstruieren zu können. So lautet der Vorwurf aus dem Kanzleramt.
Dem soll nun die rein sachliche Information durch die Regierungskoordinatoren einen Riegel vorschieben. Der Kanzler selbst will im Umgang mit den Medien neue Wege beschreiten. Er will wöchentliche Hintergrundgespräche für ausgewählte Journalisten geben und sich ebenfalls wöchentlich via Facebook an die Öffentlichkeit wenden.
Mit dieser Entscheidung beendet Kern eine fast 50-jährige Tradition. Zu Beginn der 70er-Jahre hatte Bruno Kreisky das Pressefoyer eingeführt. Bis dahin waren schriftliche Bulletins über die Beschlüsse der Regierung üblich gewesen. Kreisky war der Erste, der selbst vor die Medien trat. Jede Frage war erlaubt, denn Kreisky liebte das FrageAntwort-Spiel, bei dem er mit Wissen und Beredsamkeit brillieren konnte. Auch nutzte er seine Auftritte geschickt zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Das Pressefoyer war zu einem Instrument des Regierens geworden.
Kreiskys Nachfolger Fred Sinowatz wollte das Steh-Pressefoyer in eine gesetzte Pressekonferenz umwandeln, auf Geheiß seines Pressesprechers Gerhard Zeiler („Im Stehen wirkt er kämpferischer“) stand Sinowatz aber bald wieder.
Auch Franz Vranitzky hielt am Steh-Foyer im Grauen Ecksalon des Kanzleramts fest. Allerdings wurde der Platz dort langsam knapp. Die Kameramänner und die Techniker, die dem Kanzler das Mikrofon unter die Nase hielten, verdrängten die Journalisten.
Deshalb kam es unter Nachfolger Viktor Klima zu einer Neuerung: Er übersiedelte das Pressefoyer in den Kongresssaal des Bundeskanzleramts, wo es heute noch stattfindet. Klima führte auch eine rote Kordel ein, die den Kanzler fortan von der Medienmeute trennte.
Nach der Wende im Jahr 2000 führten Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer das gemeinsame Pressefoyer von Kanzler und Vizekanzler ein. Das sollte den Zusammenhalt von Schwarz-Blau gegen den Rest der Welt symbolisieren. Unter Riess-Passers Nachfolger Herbert Haupt gingen die Doppelfoyers weiter, allerdings mit Unterbrechungen: War Jörg Haider auf die Regierung in Wien böse, durfte Haupt nicht gemeinsam mit Schüssel auftreten. So wurde das Pressefoyer zum Gradmesser für den Zustand der Koalition. Das blieb es auch nach der Wiederauferstehung der Großen Koalition im Jahr 2007. Alfred Gusenbauer und Wilhelm Molterer traten zwar gemeinsam auf, stritten aber teilweise auf offener Bühne. Ebenso war es unter Werner Faymann und seinen wechselnden ÖVP-Vizekanzlern. Meinungsverschiedenheiten wurden offen ausgetragen. Das Pressefoyer wandelte sich vom PR-Instrument der Regierung zum Offenbarungseid der Großen Koalition. Außerdem gerieten die Pressefoyers unter Faymann derart inhaltsleer, dass die Journalisten wegblieben. 2014 gab es daher den ersten Versuch, den traditionellen Kanzler-Vizekanzler-Auftritt abzuschaffen. Stattdessen sollten die gerade mit aktuellen Themen befassten Minister vor die Presse treten. „Situationselastisch“nannte das der damalige Verteidigungsminister Gerald Klug. Doch schon bald gab es das alte Pressefoyer wieder. Kanzler und Vizekanzler wollten sich die wöchentlichen ZiB-Auftritte doch nicht nehmen lassen.
Ob Kern die Abstinenz auf Dauer aushält, wird man sehen. Fest steht: Über die Inszenierung des Foyers wurde immer dann am meisten gesprochen, wenn die Regierung sonst wenig Neuigkeiten bot.