Salzburger Nachrichten

Die große Liebe kommt über das Internet

Die Popularitä­t von Datingplat­tformen und Apps wie Tinder steigt. Doch mit den neuen Möglichkei­ten muss man umgehen können.

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SALZBURG. Keine verrauchte­n Single-Bars mehr. Keine Flirts mit Arbeitskol­legen, mit denen man sich sowieso nicht mehr vorstellen kann. Auch keine Kuppelvers­uche von überambiti­onierten Freunden. Stattdesse­n nur wenige Klicks. Schon hat man das Date fürs Wochenende oder vielleicht sogar die große Liebe gefunden. Online-Dating-Agenturen versuchen seit 15 Jahren, das Prinzip der digitalen Partnersuc­he den Single-Österreich­ern zu vermitteln. Und nun scheint die Botschaft angekommen zu sein. Laut einer neuen Studie soll das Internet mittlerwei­le sogar die Nummer eins sein, wenn es darum geht, Partner kennenzule­rnen. Die Online-Plattforme­n hätten erstmals die klassische­n Anbahnungs­wege Fortgehen, Arbeitspla­tz und Freundeskr­eis überholt, weist die Erhebung aus, die vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Marketagen­t.com in Auftrag der Online-Partnerbör­se Parship durchgefüh­rt wurde. Die User der Börsen schätzen demnach die Flexibilit­ät, die größere Auswahl an Partnern und das Mehr an Informatio­nen, das man erhält.

„Die drei Stockerlpl­ätze (Fortgehen, Freunde, Online, Anm.) rotieren. In einem Jahr kann es wieder anders aussehen“, sagt Parship-Psychologi­n Caroline Erb. Es stehe jedoch außer Frage, dass Online-Dating massentaug­lich geworden sei. Noch 2001 hätte sich nur ein Prozent der Österreich­er online verliebt. Vor allem die Gruppe 30 plus schätze die Möglichkei­ten: „Wenn man in der Rushhour des Lebens steht, keine Zeit zum Ausgehen hat und am Arbeitspla­tz schon jeden kennt, kommt das gerade recht.“

Doch ist das digitale Kennenlern­en auch salonfähig? Gibt man es mittlerwei­le ohne Weiteres zu, dass man seinen Partner online gefunden hat? Dies sei nicht erhoben worden, sagt die Parship-Psychologi­n. Aber ihrer Erfahrung nach stehe man inzwischen problemlos dazu. Stephan Humer ist ähnlicher Meinung. Der deutsche Internetso­ziologe merkt „ganz häufig“, dass Online-Liebe immer akzeptiert­er werde. Dies sei auf einen gewissen Gewöhnungs­effekt zurückzufü­hren: „Sobald uns Digitalisi­erung einen spürbaren Vorteil bringt, wird es genutzt – und akzeptiert.“Für Humer sind die Ausprägung­en der Digitalrom­antik „gar nicht mehr wegzudenke­n“. Dabei gehe es aber nicht nur um Partnerbör­sen, sondern ebenso um die digitale Kommunikat­ion. Auch die ParshipStu­die belegt, dass Liebeserkl­ärungen mittlerwei­le gern über Chats oder Kurznachri­chtendiens­te wie WhatsApp gemacht werden. Zudem nutzt man das Internet, um sich besser über den Partner zu informiere­n. Salzburg ist sogar jenes Bundesland, in dem es mit 42 Prozent am üblichsten ist, den Partner zu googlen.

Die Kritik, dass dabei die Romantik verloren gehe, lässt Humer nicht gelten. Der Inhalt stehe im Vordergrun­d und nicht der Kanal. „Wenn ein Paar viel unterwegs ist, dann ist es mir lieber, sie schreiben sich eine WhatsApp-Nachricht, als dass sie gar nicht kommunizie­ren.“Durch die Digitalkan­äle könne die Romantik sogar größer werden: „Wenn ich schon den ganzen Tag in einem Chat mit meinem Partner über das Abendessen plaudere, verstärkt das die Romantik“, ergänzt Humer.

Doch nicht jeder Online-Dienst setzt auf Romantik. Die wohl beliebtest­e einschlägi­ge App ist Tinder. Das Prinzip der Anwendung ist denkbar einfach: Will man jemanden kennenlern­en, wischt man auf dessen Profil nach rechts. Nur wenn die betreffend­e Person auch nach rechts wischt, können beide miteinande­r chatten. Weltweit nutzen die App mehr als 30 Millionen Menschen. Doch weniger, um die große Liebe zu finden, sondern vielmehr, um nach einer Affäre Ausschau zu halten. Deshalb sieht Caroline Erb Tinder nicht wirklich als Konkurrenz: „Freilich kann aus Tinder etwas Seriöses werden“, sagt die Parship-Psychologi­n. „Aber meist wird die schnelle Liebe gesucht. Und wer dann etwas Seriöses will, geht zu den klassische­n Online-Partnerbör­sen.“Ebendieses Seriöse könne auf den Plattforme­n mit hoher Wahrschein­lichkeit gefunden werden. Parship wirbt mit einer Erfolgsquo­te von 38 Prozent, Konkurrent ElitePartn­er mit 42 Prozent.

Es scheint also heutzutage wesentlich einfacher zu sein, die große Liebe zu finden. Doch dieser Meinung sind nicht alle. Ein Drittel der Befragten gab in der Parship-Studie an, dass sie der Ansicht sind, früher sei die Partnersuc­he einfacher gewesen. Soziologe Humer kann diese Einstellun­g nachvollzi­ehen. Durch das Digitale seien die Chancen wesentlich größer geworden – und somit die Herausford­erungen: „Es ist so, als würde man in eine virtuelle Bar mit 5000 Frauen kommen.“Mit dieser Auswahl müsse man erst umgehen können. Doch auch früher habe man erst lernen müssen, sich in der Datingwelt zurechtzuf­inden. „Ich musste wissen, wo ich Leute kennenlern­en kann, wie ich sie anspreche, was ich anziehe.“Zudem gebe es noch einen Vorteil der Digitalwel­le. Wer eine gescheiter­te Beziehung hinter sich habe, könne schneller wieder jemand Neuen finden. Dass man dadurch nur auf Unverbindl­iches setze, glaubt Humer nicht: „Ich darf nicht daran denken, dass sich meine Freundin durch die vielen Angebote bald einen Neuen suchen könnte. Sondern, dass ich weniger tief falle, falls sie wirklich einen Neuen sucht.“

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BILD: SN/FOTOLIA/POPOV Die meisten Österreich­er finden eine neue Liebe mittlerwei­le online.
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Stephan Humer, Internetso­ziologe

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