Salzburger Nachrichten

Kleinen Leuten sollte man auf Augenhöhe begegnen

Zwei Filme mit kleinwüchs­igen Hauptfigur­en demonstrie­ren den Unterschie­d zwischen „gut“und „gut gemeint“.

- Mein ziemlich kleiner Freund. Liebeskomö­die, Frankreich 2016. Regie: Laurent Tirard. Auf Augenhöhe. Kinderfilm, Deutschlan­d 2016. Regie: Evi Goldbrunne­r, Joachim Dollhopf.

WIEN. Er hat eine attraktive, maskuline Telefonsti­mme, doch die erste Begegnung ist ernüchtern­d. Denn der Mann ist kleinwüchs­ig: Exakt dieselbe Situation kommt in zwei Filmen vor, die demnächst in die Kinos kommen. In der französisc­hen Liebeskomö­die „Mein ziemlich kleiner Freund“spielt der hochgewach­sene Oscarpreis­träger Jean Dujardin („The Artist“) mithilfe von Tricktechn­ik den charismati­schen kleinwüchs­igen Architekte­n Alexandre, der sich in die erfolgreic­he Anwältin Diane (Virginie Efira) verliebt und sie mit viel Charme und einigem Chauvinism­us erobert. Und in dem deutschen Kinderfilm „Auf Augenhöhe“spielt der real kleinwüchs­ige Kanadier Jordan Prentice den Rudermanns­chaftskapi­tän Tom, der per Brief erfährt, dass er aus einer früheren Beziehung einen zehnjährig­en Sohn hat. Dieser Michi lebt im Waisenhaus und möchte Tom kennenlern­en.

Beide Filme sind aus der Sicht von normal groß gewachsene­n Personen erzählt, die ihr kleines Gegenüber als anders empfinden, als fremd, und die trotz innerer Widerständ­e bald große Zuneigung zu ihm entwickeln. Den Hürden und Kränkungen, die das geliebte Gegenüber ertragen muss, stehen sie anfangs hilflos gegenüber, erst allmählich finden sie Strategien, mit dieser fremden Wirklichke­it umzugehen. Doch wie die Filmemache­r davon erzählen, ist grundsätzl­ich verschiede­n.

„Mein ziemlich kleiner Freund“Regisseur Laurent Tirard („Der kleine Nick“) überglänzt die Probleme mit einer süßlichen Schicht aus Realitätsf­erne und Kitsch. Alexandre ist fast irreal gutaussehe­nd, viril, vermögend, selbstbewu­sst und beruflich erfolgreic­h. Damit ist sein Kleinwuchs überkompen­siert. Trotz einigen Spottes, den Alexandre und seine Diane ertragen müssen, ist seine Anziehungs­kraft auf materielle­r Ebene intakt, und Diane muss sich nicht herablasse­n, mit einem womöglich weniger attraktive­n Mann zusammen zu sein. Das nimmt dem Problem, das Diane zwischendu­rch verstört, alle Brisanz. Der Film bleibt ein zahnloses Wohlfühlmä­rchen.

In dem lebensnahe­n, witzigen Film „Auf Augenhöhe“hingegen bemühen sich die Filmemache­r Evi Goldbrunne­r und Joachim Dollhopf um ernsthafte­s Verstehen. Das fällt aus Kinderpers­pektive leichter, weil da die Fragen auch direkter sein dürfen und die Neugierde unverstell­ter. Nach dem ersten Schock vor allem darüber, wie Michi für seinen kleinen Vater Tom verspottet wird, lernt der Bub die Wohnung von Tom kennen, das für ihn eigens umgebaute Auto, die niedrigen Möbel. Der Film beantworte­t, wie ein kleinwüchs­iger Mensch seinen Alltag anders bewältigt als groß gewachsene Leute, und erzählt auch von Konflikten zwischen Tom und seinen großen Ruderfreun­den, deren Beschützer­gehabe ihn entmündigt. „Auf Augenhöhe“handelt von Männlichke­it und Vorbildsei­n und davon, dass es oft besser ist, Unterschie­de anzusprech­en, um mit ihnen umgehen zu können. Und er schildert ohne Krampf und ohne Schönfärbe­rei, welche Schikanen kleinwüchs­ige Leute Tag für Tag aushalten müssen. Kino:

 ?? BILD: SN/FILMLADEN ?? Trickreich geschrumpf­t: Jean Dujardin (links) in „Mein ziemlich kleiner Freund“.
BILD: SN/FILMLADEN Trickreich geschrumpf­t: Jean Dujardin (links) in „Mein ziemlich kleiner Freund“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria