Kleinen Leuten sollte man auf Augenhöhe begegnen
Zwei Filme mit kleinwüchsigen Hauptfiguren demonstrieren den Unterschied zwischen „gut“und „gut gemeint“.
WIEN. Er hat eine attraktive, maskuline Telefonstimme, doch die erste Begegnung ist ernüchternd. Denn der Mann ist kleinwüchsig: Exakt dieselbe Situation kommt in zwei Filmen vor, die demnächst in die Kinos kommen. In der französischen Liebeskomödie „Mein ziemlich kleiner Freund“spielt der hochgewachsene Oscarpreisträger Jean Dujardin („The Artist“) mithilfe von Tricktechnik den charismatischen kleinwüchsigen Architekten Alexandre, der sich in die erfolgreiche Anwältin Diane (Virginie Efira) verliebt und sie mit viel Charme und einigem Chauvinismus erobert. Und in dem deutschen Kinderfilm „Auf Augenhöhe“spielt der real kleinwüchsige Kanadier Jordan Prentice den Rudermannschaftskapitän Tom, der per Brief erfährt, dass er aus einer früheren Beziehung einen zehnjährigen Sohn hat. Dieser Michi lebt im Waisenhaus und möchte Tom kennenlernen.
Beide Filme sind aus der Sicht von normal groß gewachsenen Personen erzählt, die ihr kleines Gegenüber als anders empfinden, als fremd, und die trotz innerer Widerstände bald große Zuneigung zu ihm entwickeln. Den Hürden und Kränkungen, die das geliebte Gegenüber ertragen muss, stehen sie anfangs hilflos gegenüber, erst allmählich finden sie Strategien, mit dieser fremden Wirklichkeit umzugehen. Doch wie die Filmemacher davon erzählen, ist grundsätzlich verschieden.
„Mein ziemlich kleiner Freund“Regisseur Laurent Tirard („Der kleine Nick“) überglänzt die Probleme mit einer süßlichen Schicht aus Realitätsferne und Kitsch. Alexandre ist fast irreal gutaussehend, viril, vermögend, selbstbewusst und beruflich erfolgreich. Damit ist sein Kleinwuchs überkompensiert. Trotz einigen Spottes, den Alexandre und seine Diane ertragen müssen, ist seine Anziehungskraft auf materieller Ebene intakt, und Diane muss sich nicht herablassen, mit einem womöglich weniger attraktiven Mann zusammen zu sein. Das nimmt dem Problem, das Diane zwischendurch verstört, alle Brisanz. Der Film bleibt ein zahnloses Wohlfühlmärchen.
In dem lebensnahen, witzigen Film „Auf Augenhöhe“hingegen bemühen sich die Filmemacher Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf um ernsthaftes Verstehen. Das fällt aus Kinderperspektive leichter, weil da die Fragen auch direkter sein dürfen und die Neugierde unverstellter. Nach dem ersten Schock vor allem darüber, wie Michi für seinen kleinen Vater Tom verspottet wird, lernt der Bub die Wohnung von Tom kennen, das für ihn eigens umgebaute Auto, die niedrigen Möbel. Der Film beantwortet, wie ein kleinwüchsiger Mensch seinen Alltag anders bewältigt als groß gewachsene Leute, und erzählt auch von Konflikten zwischen Tom und seinen großen Ruderfreunden, deren Beschützergehabe ihn entmündigt. „Auf Augenhöhe“handelt von Männlichkeit und Vorbildsein und davon, dass es oft besser ist, Unterschiede anzusprechen, um mit ihnen umgehen zu können. Und er schildert ohne Krampf und ohne Schönfärberei, welche Schikanen kleinwüchsige Leute Tag für Tag aushalten müssen. Kino: