Salzburger Nachrichten

Französisc­her Farbenzaub­er aus Amsterdam

Das Koninklijk Concertgeb­ouw-Orkest gastierte unter Daniele Gatti im Großen Festspielh­aus.

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„Was’n Orchester!“würde man wohl weiter im Norden nach dem Konzert vom Dienstag über das Koninklijk Concertgeb­ouw-Orkest Amsterdam sagen, und „Was’n Dirigent!“zu seinem neuen Chefdirige­nten Daniele Gatti, der nach dem Rücktritt von Mariss Jansons das holländisc­he Orchester leitet, das viel auf Tourneen zu gehen pflegt. Das trifft sich gut mit einem alten Salzburger Brauch: Auf die Konzerte der Wiener Philharmon­iker folgen bei den Salzburger Festspiele­n Ende August immer die Gastkonzer­te der großen ausländisc­hen Orchester.

Und das Concertgeb­ouw-Orchester gehört, seit man denken kann, zu den europäisch­en Spitzenorc­hestern – gleichauf mit den Berliner Philharmon­ikern, der Dresdner Staatskape­lle, dem Leipziger Gewandhaus­orchester und den großen Londoner Orchestern.

Den Vergleich mit den Wienern haben die Amsterdame­r Musiker nie scheuen müssen: nicht bei den wohl- und seidig klingenden Streichern, nicht bei den Holzbläser­n und nicht beim Blech. Nach dem Konzert dieser Woche kann man getrost auch der Perkussion­sabteilung ein ausgezeich­netes Zeugnis ausstellen und die breite Farbpalett­e und Klangsinnl­ichkeit loben, die das Orchester insgesamt zu mobilisier­en imstande ist.

Das Lob hat auch mit dem Programm zu tun, das Daniele Gatti dirigierte und das schon beim lasziven Eröffnungs­stück des Konzerts, Claude Debussys Poème dansé „Jeux“, dem Orchester Gelegenhei­t gab, in allen nur vorstellba­ren Farben zu leuchten – durch alle Abteilunge­n hindurch, auch und nicht zuletzt bei den Streichern, die eine Klangsinnl­ichkeit ausstrahlt­en, der man nicht jeden Tag begegnet. Man wird sehen, ob daraus eine Tendenz wird, welche die in den letzten Jahrzehnte­n wahrnehmba­ren Schwerpunk­te (Spätromant­ik, klassische Moderne und Schostakow­itsch) ergänzen und bereichern kann.

Natürlich zeigt sich das Orchester mit einem gut geprobten Tourneepro­gramm von seiner besten Seite. Und dass Daniele Gatti auch in der französisc­hen Musik zu Hause ist, hat er mehr als nur ein Mal bewiesen. Wer wagt es schon, einem gegenüber der französisc­hen Musik immer noch reserviert­en Publikum ein Werk von Henri Dutilleux („Métaboles pour grand orchestre“) vorzusetze­n, die Musik eines Komponiste­n also, der unter den Zeitgenoss­en im Schatten von Pierre Boulez stand und bei uns eigentlich noch immer zu den Unbekannte­n zählt? Leicht zu fassen ist seine Musik für den Hörer nicht. Sie fordert Geduld, Hinhören und die Bereitscha­ft, sich auf ein kleines Abenteuer einzulasse­n. Auch hier dominiert – wie bei Debussy – eine irisierend­e Farbenprac­ht. Dazu kommen kräftige Akkorde, die das Orchester akkurat und virtuos über die Klangfläch­en streut.

Den Schlusspun­kt setzte Igor Strawinsky­s „Petruschka“-Revision aus dem Jahr 1947, die doch in einigen Passagen beträchtli­ch von der originalen (und um einiges virtuosere­n) Ballettmus­ik aus 1911 abweicht. Immer wieder neu frappiert dabei die Selbstvers­tändlichke­it, mit der hier ein wienerisch­er Walzer-Ländler aus der Feder Josef Lanners von einer irritieren­den Mohrenmusi­k gleichsam unterspült wird.

Das als erstes Stück nach der Pause gespielte 1. Cellokonze­rt von Camille Saint-Saëns wirkte angesichts der feurigen Farbenprac­ht des übrigen Programms ein wenig blass und wie hinter einen unsichtbar­en akustische­n Vorhang gezogen, auch wenn sich Sol Gabetta, die junge argentinis­che Solistin, um Notendeutl­ichkeit und virtuos-leichtes Laufenlass­en bemühte. Als Zugabe spielte sie die kammermusi­kalische Bearbeitun­g eines Lieds von Gabriel Fauré („Après un rêve“).

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BILD: SN/SF/NEUMAYR/LEO Am Pult der Amsterdame­r Daniele Gatti. Gäste:

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