„Biolandbau ist der logische Weg“
Seit zehn Jahren ist Biopionier Werner Lampert mit seinem Unternehmen für den Diskonter Hofer tätig. Im SN-Interview spricht er über den Trend zu veganen Produkten, die Hilflosigkeit der Agrarpolitik und Pläne im Ausland.
Der gebürtige Vorarlberger Werner Lampert gilt als Biopionier in Österreich. Für Billa-Gründer Karl Wlaschek kreierte er 1994 die Marke „Ja! Natürlich“, bis heute die größte Biomarke Österreichs. Seit zehn Jahren baut er für den Diskonter Hofer die Marke „Zurück zum Ursprung“auf, bei deren Produkten konkrete Einsparungen bei Wasserverbrauch oder dem Treibhausgas CO2 genannt werden. Im Oktober wird Lampert 70 Jahre alt. SN: Wie zufrieden sind Sie mit „Zurück zum Ursprung“, stehen die Bauern Schlange? Lampert: Wir haben jetzt knapp 240 Produkte, wachsen als Marke immer noch zweistellig. Im Milchbereich haben wir große Nachfrage von Bauern. Vernünftige Preise und eine ganz besondere Qualität – dieses Modell ist hundertprozentig aufgegangen. Das macht mich schon glücklich. Wir haben gezeigt, dass man mit Einbeziehung der Konsumenten tragfähige, preisstabile Partnerschaften schaffen kann. Bei Schweinefleisch ist es sehr schwierig. Es geht nicht nur um den Preis, sondern auch um das Umdenken der Bauern. SN: Wie funktioniert das Modell? Wir haben die Marke für Hofer entwickelt. Ich mache mit meinen 25 Mitarbeitern die Richtlinien für die Bauern, wir betreuen sie und machen die Produktentwicklung, nur die Preisgestaltung hat natürlich Hofer. Die ersten eineinhalb Jahre waren schon sehr schwer, da musste ich schon ums Überleben kämpfen. Das Modell war zu kompliziert für die Konsumenten. Aber eine Erfolgsgeschichte braucht einen harten Beginn (lacht). SN: Ist das Ausland ein Thema? „Zurück zum Ursprung“ist von der Warenbewegung kein Exportmodell, sondern kann nur in Österreich leben. Aber das Konzept kann man in die Schweiz, nach Deutschland oder England exportieren. Die Zukunft dafür steht erst bevor. Der wichtigste Markt für so ein Konzept ist natürlich Deutschland, weil die eine andere Einstellung zu Lebensmitteln und zur Landwirtschaft haben. Wenn in Deutschland etwas passiert, hätte das große internationale Wirksamkeit.
Biopionier Werner Lampert veröffentliche im Vorjahr ein Buch über ursprüngliche Rinderassen.
SN: Um den Bauern zu helfen, werden sogar Beiträge zur Sozialversicherung ausgesetzt, die EU verspricht Milchbauern Prämien für Lieferverzicht – was halten Sie davon? Das sind Konzepte der Hilflosigkeit, aber es ist eine existenzielle Krise für viele Bauern. Es ist kein Geld da, aber man muss ein Signal setzen, um Solidarität zu zeigen. Den Bauern hat man über Jahrzehnte eingebläut, sie müssen zu Unternehmern werden. Aber in unserer Topografie funktioniert Landwirtschaft nicht nach normalen ökonomischen Grundsätzen. Landwirtschaft muss andere Funktionen erfüllen, der Bauer leistet viel für die Allgemeinheit. Da sollten wir auch das Fördersystem umstellen: Wir sollten keine Lebensmittel mehr fördern, sondern nur noch die Einsätze der Landwirte für öffentliche Güter wie sauberes Wasser und saubere Böden. Und es geht um CO2-Minimierung. Die Landwirtschaft ist heute insgesamt der größte CO2-Emittent und gleichzeitig bindet es am meisten CO2, wenn Humus aufgebaut statt zerstört wird. SN: Was schlagen Sie vor? In der konventionellen Landwirtschaft erleben wir einen Akt der Verarmung. Die Bauern kriegen für die Produkte nicht mehr das Geld, das sie brauchen, da reichen auch die Fördermittel nicht aus. Wir haben auch eine Verarmung der Böden – das ist die Produktionsgrundlage – und der Biodiversität. Die gesellschaftspolitische Reaktion auf Massentierhaltung ist, dass junge Leute Veganer werden. Die Ursache ist aber dort zu suchen, wie in der Landwirtschaft mit Tieren umgegangen wird. Das auszublenden geht nicht mehr. SN: Wie sieht die Zukunft aus? Insgesamt geht die Landwirtschaft global auf eine enorme Krise zu, sie wird uns auch nicht mehr ernähren können, das ist eine absolute Gewissheit. Das Gegenmodell, das ja gut funktioniert in Österreich, ist die Biolandwirtschaft. Sie produziert für die nächste Umgebung, für die Region. Da gibt es enorme Loyalität und Solidarität. Bei einem Almgespräch kürzlich in Tirol hat mir ein Beamter der Landesregierung vorgerechnet, dass ein konventioneller Bauer in Tirol, der über 9000 Kilogramm Milch pro Kuh hat, weniger Einkommen erzielt als einer, dessen Kühe nur 5000 Kilogramm produzieren, der aber uns liefert. Das ist doch unglaublich, oder? SN: Befürchten Sie auch bei Bio- oder Heumilch ein Überangebot und einen Preisverfall? Diese Gefahr muss man immer auch sehen. Wir versuchen, Landwirtschaft zu fördern, die eine Verbindung mit dem Konsumenten hat. Das komplett anonyme Produkt der konventionellen Landwirtschaft macht sie ja tot. Bei uns ist die Anonymität gebrochen. Da geht es nicht um Hochleistung, sondern um maximale Qualität. In der Massenproduktion werden wir immer Zweite sein. Mit Qualität haben wir eine Alleinstellung auch in Europa. SN: Die Agrarpolitik argumentiert, 80 Prozent der Menschen kaufen konventionell. Aus 40-jähriger Erfahrung kann ich sagen: Wenn einer aus strategischen Gründen auf Bio umschwenkt, wird er scheitern. Er muss sich inhaltlich damit auseinandersetzen, wie er mit seinem Vieh, seinem Boden und seinen Pflanzen umgehen will. Man muss mit Verstand und Herz bei der Sache sein. Das andere System ist in einer Sackgasse. Das heißt, zuerst muss man die Leistung runterholen. Niemand braucht Milch von einer Kuh, die 12.000 Kilo Milch im Jahr gibt. Das Schul- und Beratungssystem der Agrarbürokratie hat ganz wesentlich mit dieser Fehlentwicklung zu tun. Der Milchpreis eines Salzburger Bauern wird nicht in Salzburg, in Österreich oder Brüssel gemacht, sondern in China oder bei Putin. Da muss man rauskommen. SN: Wie? Bei den 80 Prozent haben wir keine Preiswahrheit: Wir produzieren billige Lebensmittel, aber es wird nicht geschaut, wer den wirklichen Preis zu zahlen hat. In Südamerika gibt es Verelendung und mehr Naturkatastrophen und es wird Regenwald zerstört und indigene Völker werden ausgelöscht. Für die Belastung des Grund- und Oberflächenwassers bei uns muss die Allgemeinheit bezahlen. Wenn wir zu einer Preiswahrheit kämen, würde niemand 9000 oder 10.000 Kilo produzieren, sondern auf 5000 runtergehen und eine Landwirtschaft betreiben, die die Umwelt minimal belastet. SN: Reduziert der Vegan-Trend den Druck auf die Intensivproduktion? Dass junge Leute sich abwenden von tierischen Produkten, ist eine Verunsicherung, das erlebe ich bei vielen Bauern. Sie fragen: Wie soll das weitergehen? Es ist weniger der ökonomische Druck, sondern eher ein Denkanstoß. Als ich aufgewachsen bin, war der Stolz des Bauern, dem Sohn oder der Tochter eine Landwirtschaft zu übergeben, bei der die Böden besser sind und die Viecher besser gehalten werden. Das ist verloren gegangen. Heute geht es um hohe Leistung, das geht auf Kosten der Produktionsgrundlagen: Umwelt, Bodenqualität und Vielfalt. Da braucht es eine grundsätzliche Veränderung. SN: Wie finden Sie das Schlagwort „Regional ist das neue Bio“? Authentische Regionalität führt zielsicher zu Bio, es gibt keinen anderen Weg. Man muss Futtermittel und alles mit einbeziehen. Deshalb machen wir auch diese Berechnungen (CO2, Wasser, Humusverbrauch). Es kann nicht regional sein, wenn mein Viech hier mit Soja aus Südamerika gefüttert wird und die Gerste kommt aus der Ukraine. Bio wird nur Erfolg haben, wenn es nachhaltig und regional ist. Bio für die globalen Märkte zu produzieren wäre das Ende von Bio.