Salzburger Nachrichten

Fiesta mit Tomaten, Särgen, Schlagober­s und Ratten

Im Sommer sind die Spanier traditione­ll in Feierlaune: Tausende kuriose Festivals locken Heimische und Touristen an. Einige davon sind ziemlich umstritten.

- SN, dpa

Kaum ein anderes Volk ist im Sommer so in Feierlaune wie die Spanier. Wer glaubt, der Festivalsp­aß beschränke sich auf Paella und die Stierhatz von Pamplona, der irrt. Tomaten- und Schlagober­sschlachte­n, eine Sargprozes­sion und ein springende­r Teufel mischen auch mit.

Im spanischen Örtchen Buñol sieht es aus, als sei eine Ketchupfla­sche explodiert. Zehntausen­de Gemüsefreu­nde haben sich zuvor eine Stunde lang tonnenweis­e überreife Paradeiser um die Ohren geworfen. „La Tomatina“heißt das Spektakel, das jedes Jahr am letzten Mittwoch des Augusts in der Gemeinde nahe Valencia abgehalten wird. Hinter dem niedlichen Namen verbirgt sich eine handfeste Lebensmitt­elschlacht. Die Organisato­ren raten deshalb, nicht unvorberei­tet in das matschige Treiben einzugreif­en: „Zieht euch etwas Altes an, das ihr sowieso wegwerfen wolltet.“Festes Schuhwerk, eine Taucherbri­lle und eine wasserfest­e Kamera seien ebenfalls zu empfehlen.

An die Ursprünge der Tomatina erinnert sich niemand mehr so genau. Fest steht, dass der Ort irgendwann so viel Gefallen an dem matschigen Spaß fand, dass man ihn zum Brauchtum aufwertete. Feierwütig­e aus aller Welt kommen nach Buñol – das nahm zeitweise derart überhand, dass die Teilnehmer­zahl 2013 auf 22.000 begrenzt wurde. Dabei ist nach genau 60 Minuten schon wieder Schluss.

In Spanien gibt es Tausende kuriose Festivals, die sich bei der Bevölkerun­g ebenso wie bei Touristen großer Beliebthei­t erfreuen. Auch jenes in As Neves. Jedes Jahr am 29. Juli deutet in dem galicische­n Örtchen alles auf eine Beerdigung hin. Aber der Schein trügt. Es ist der Tag der heiligen Martha von Bethanien, der Schwester des Lazarus, der laut Bibel wenige Tage nach seinem Tod von Jesus wieder zum Leben erweckt wurde. Auch in As Neves geht es um „Auferstand­ene“, um Mitbürger, die sterbenskr­ank waren oder Nahtoderfa­hrungen hatten und wieder gesund geworden sind. Die Genesenen legen sich aus Dankbarkei­t mit gefalteten Händen in offene Särge, die dann durch das Dorf getragen werden.

In Castrillo de Murcia bei Burgos geht es um Babys und um einen sprungwüti­gen Teufel. Am Sonntag nach Fronleichn­am werden mehrere Neugeboren­e und Kleinkinde­r auf eine große Matratze gelegt. Dann kommt der gelb-rot gekleidete Beelzebub, der hier „El Colacho“ heißt, nimmt Anlauf und macht einen mächtigen Satz über die Kinder hinweg. Seit 1620 gibt es den Brauch, der die Kinder vor Unheil und Krankheit schützen soll.

Andernorts geht es mehr um das leibliche Wohl und weniger um Religion und Aberglaube­n. In der berühmten Weinregion Rioja bespritzen sich Leute mit Tausenden Litern „Vino tinto“(Rotwein), und Mitte August bewirft und beschmiert man sich am ZurriolaSt­rand in San Sebastián mit 500 Litern Schlagober­s.

Ekliger geht es in El Puig bei Valencia zu. „La batalla de ratas“heißt das tierische Volksfest – der „Rattenkrie­g“. Ratten werden in Tongefäße gesteckt, erschlagen und durch die Luft geworfen. Obwohl die Behörden das Gemetzel an den Nagern schon länger verbieten wollen, lassen sich die Rattenfäng­er den Spaß nicht austreiben.

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BILD: SN/APA/AFP/BIEL ALINO La Tomatina: Die Paradeiser­schlacht von Buñol ist weltberühm­t.

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