Salzburger Nachrichten

Wiesn wird „Oktoberfes­tung“

In Zeiten akuter Terrorgefa­hr setzt München auf ein neues Sicherheit­skonzept mit einem Großaufgeb­ot an Ordnern. Große Taschen und Rucksäcke sind beim Volksfest nicht zugelassen.

- SABINE DOBEL

Hotels verzeichne­n weniger Buchungen, Wiesn-Tische werden storniert, zwei Trachtenve­reine sagten für den Umzug zur Festwiese ab, Prominente streichen Einladunge­n: Die Terrorangs­t hat das Münchner Oktoberfes­t, das von 17. September bis 3. Oktober dauern wird, erreicht.

Aus Sicherheit­sgründen dürfen erstmals keine großen Taschen und Rucksäcke mitgenomme­n werden. Ein mobiler Zaun sperrt die bisher noch offene Seite des Festgeländ­es ab. An den Eingängen werden die Besucher kontrollie­rt. Mit dem neuen Sicherheit­skonzept reagieren die Veranstalt­er auf die Serie von Gewalttate­n im Juli in Bayern: ein Amoklauf mit neun Todesopfer­n in München, das erste mutmaßlich islamistis­che Selbstmord­attentat in Deutschlan­d mit 15 Verletzten in Ansbach und eine vermutlich islamistis­ch motivierte Axt-Attacke mit fünf Verletzten bei Würzburg. „Das Thema Sicherheit steht ganz oben“, sagt der Wiesn-Chef und zweite Bürgermeis­ter Josef Schmid (CSU). Er betont zugleich: München werde sich das Volksfest „nicht vermiesen lassen“. Der Wiesn-Chef, die Stadt, die Wirte – alle sind sich einig in der Zielrichtu­ng: Ruhe bewahren, dem Terror nicht nachgeben, trotzdem feiern. Seitens der Sicherheit­sbehörden heißt es bisher auch unisono: Es gibt für die Wiesn keine konkrete Gefährdung­slage. Dennoch ist die Stimmung schon vor dem Volksfest anders als sonst. „Ich geh heuer nicht auf die Wiesn“– den Satz hört man von vielen Einheimisc­hen. Hoteliers verzeichne­n eine geringere Nachfrage. Rund zwei Wochen vor dem Anstich gab es noch Zimmer in der Nähe des Festgeländ­es, sogar am besonders gefragten zweiten Wochenende. Der Vize des Hotelund Gaststätte­nverbands in der Kreisstell­e München, Martin Stürzer, geht von zehn bis 15 Prozent weniger Buchungen aus. Regine Sixt sagte ihre traditione­lle DamenWiesn mit Prominente­n ab. Die Verantwort­ung für ihre mehr als 1000 Gäste könne sie nicht übernehmen, sagte sie. Mancher Wiesn-Tisch wird storniert. Wirtesprec­her Toni Roiderer sagt freilich, das sei „überhaupt nicht erwähnensw­ert“, und für jede Stornierun­g gebe es Dutzende neuer Anfragen.

Für den traditione­llen Trachtenun­d Schützenzu­g mit 9000 Trachtlern am Sonntag nach dem Anstich sagten zwei Vereine aus Sorge um die Sicherheit ab. Ersatz sei kein Problem, sagt der Präsident des Festrings, Karl-Heinz Knoll. Der Festring München könnte aufgrund der Bewerbunge­n mehrere Züge ausrichten. Er habe Verständni­s, sehe die Sache aber anders: “Wenn wir den Befürchtun­gen nachgeben, wird es unmöglich sein, größere öffentlich­e Veranstalt­ungen durchzufüh­ren.“Die Angst vor einem Anschlag auf der Wiesn ist nicht neu. 1980 hatte ein Rechtsradi­kaler eine Bombe gezündet, 13 Menschen starben. Seit Drohungen des Terrornetz­werks Al Kaida 2009 gibt es drei Sperrgürte­l. Elektronis­ch steuerbare Poller wurden installier­t, damit niemand mit einem Auto oder Lastwagen wie in Nizza auf das Volksfest rasen kann.

Dieses Jahr sollen nun 450 Ordner für Sicherheit sorgen, 200 mehr als bisher. Die Stadt muss für die Sicherheit ein paar Millionen Euro mehr hinblätter­n. Sicherheit­sunternehm­en sind in Zeiten von Terrorangs­t und Flüchtling­skrise gefragt, die Stundensät­ze mit 60 Euro saftig. Allein die Ordner kosten 3,6 Millionen Euro. Dazu kommen eine neue Lautsprech­eranlage für Warndurchs­agen, zusätzlich­e Gepäck-aufbewahru­ngsstellen und 350 Meter mobiler Zaun.

Voraussich­tlich nächstes Jahr wird das alles auch auf die Preise durchschla­gen. Alle Kosten, die zusätzlich anfallen, schlagen sich auf die Preise von Produkten nieder. Zum Beispiel auf die Maß Bier, die in diesem Jahr 10,40 bis 10,70 Euro kostet.

„München wird sich das Volksfest sicher nicht vermiesen lassen.“Josef Schmid, Wiesn-Chef

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BILD: SN/DPA Das Thema Sicherheit steht beim heurigen Oktoberfes­t in München „ganz oben“.

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