Welchen Tourismus wollen wir?
Wir debattieren über Kunst im öffentlichen Raum, nicht aber über touristische Angebote in diesem. Es ist Zeit, das nachzuholen.
Dafür, dass der Amphibienbus seinen Betrieb noch gar nicht aufgenommen hat, gehen die Wogen in der Landeshauptstadt Salzburg ganz schön hoch. Was heißt in Salzburg? Selbst die deutsche „Bild“-Zeitung hat berichtet über Salzburgs neue Touristenattraktion: das „Hamburger Abendblatt“, „Die Welt“, die „Hannoversche Allgemeine“, die „Lausitzer Rundschau“, die „Frankfurter Neue Presse“und viele andere.
Salzburg wird beachtet. Denn Salzburg ist ein Magnet. Das ist Teil des Problems.
Am Beispiel des Amphibienbusses, der demnächst mehrmals am Tag seine Tour über Fluss und Straßen machen soll, entzündet sich die Frage: Welchen Tourismus wollen wir?
Die Gegner des Vehikels sprachen diese Woche von einem Ausverkauf an den Massentourismus und von einer „Disneyisierung“der Stadt. Die Befürworter sehen im Amphibienbus ein Angebot, das Salzburg von anderen Städten unterscheidet und daher einen Mehrwert bringt. Wer recht hat, wird man erst sehen können, wenn der Amphibienbus wirklich unterwegs ist. Die Heftigkeit der Reaktionen auf die bloße Ankündigung hin zeigt aber, dass es über den Anlassfall hinaus Diskussionsbedarf gibt. Darüber, was Salzburg seinen Gästen bieten will. Und was seinen Bewohnern zumutbar ist.
Immer wieder wird heftigst über Kunst im öffentlichen Raum debattiert. Dabei tut diese – überspitzt formuliert – nichts, außer herumzustehen. Über touristische Angebote aber, die im öffentlichen Raum vonstattengehen, redet man viel zu wenig. Dabei sind die meisten dieser Angebote mobil, mischen im Trubel der Stadt mit und verstärken diesen bis zum Stau. Rikschas zwängen sich durch die Gassen, Segways brausen herum, Hop-on-hopoff-Busse kurven durch die Straßen, geführte Gruppen radeln über den Müllner Steg, ins Geschehen mischen sich Reisegruppen zu Fuß – und demnächst eben auch noch ein Amphibienbus, der mehrmals täglich sein Element über die Salzachböschung hinweg wechselt.
Es ist eine ganze Menge, was da auf dem sehr begrenzten Areal der Alt- und Innenstadt stattfindet. In einem öffentlichen Raum, der vieles zugleich sein soll: Lebens- und Wirt- schaftsraum für die Bewohner, Erlebens- und Ereignisraum für die Besucher, geschützter Raum für das historische Erbe. Konflikte können nicht ausbleiben.
Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass das historische Erbe (neben den Festspielen) die Hauptattraktion Salzburgs ist. Deswegen kommen Gäste aus aller Welt. Rikschas, Räder oder Gefährte zu Land und zu Wasser sind Zusatz, der genutzt wird oder auch nicht.
Wie viel und was von diesem Zusatzangebot der Stadt guttut, sollte offen debattiert werden.
Warum nicht einmal eine große Runde dazu einberufen aus Politikern, Touristikern, Hoteliers, Kaufleuten, Bürgern, Altstadtund Denkmalschützern, Stadtplanern?
Die Altstadtkommission hat den Auftrag, das baukulturelle Erbe zu schützen. Der Gestaltungsbeirat soll darüber wachen, dass außerhalb der Altstadt qualitätvoll gebaut wird. Aber es gibt paradoxerweise keine Instanz, die prüft, ob der Geist der Stadt, ihr Flair und ihr Gesicht der touristischen Vermarktung standhalten. Bricht diese spezielle Atmosphäre zusammen, wird das Interesse der Gäste nachlassen. Und die Einnahmequelle Tourismus wird sehr viel spärlicher fließen.