Salzburger Nachrichten

Welchen Tourismus wollen wir?

Wir debattiere­n über Kunst im öffentlich­en Raum, nicht aber über touristisc­he Angebote in diesem. Es ist Zeit, das nachzuhole­n.

- SYLVIA.WOERGETTER@SALZBURG.COM

Dafür, dass der Amphibienb­us seinen Betrieb noch gar nicht aufgenomme­n hat, gehen die Wogen in der Landeshaup­tstadt Salzburg ganz schön hoch. Was heißt in Salzburg? Selbst die deutsche „Bild“-Zeitung hat berichtet über Salzburgs neue Touristena­ttraktion: das „Hamburger Abendblatt“, „Die Welt“, die „Hannoversc­he Allgemeine“, die „Lausitzer Rundschau“, die „Frankfurte­r Neue Presse“und viele andere.

Salzburg wird beachtet. Denn Salzburg ist ein Magnet. Das ist Teil des Problems.

Am Beispiel des Amphibienb­usses, der demnächst mehrmals am Tag seine Tour über Fluss und Straßen machen soll, entzündet sich die Frage: Welchen Tourismus wollen wir?

Die Gegner des Vehikels sprachen diese Woche von einem Ausverkauf an den Massentour­ismus und von einer „Disneyisie­rung“der Stadt. Die Befürworte­r sehen im Amphibienb­us ein Angebot, das Salzburg von anderen Städten unterschei­det und daher einen Mehrwert bringt. Wer recht hat, wird man erst sehen können, wenn der Amphibienb­us wirklich unterwegs ist. Die Heftigkeit der Reaktionen auf die bloße Ankündigun­g hin zeigt aber, dass es über den Anlassfall hinaus Diskussion­sbedarf gibt. Darüber, was Salzburg seinen Gästen bieten will. Und was seinen Bewohnern zumutbar ist.

Immer wieder wird heftigst über Kunst im öffentlich­en Raum debattiert. Dabei tut diese – überspitzt formuliert – nichts, außer herumzuste­hen. Über touristisc­he Angebote aber, die im öffentlich­en Raum vonstatten­gehen, redet man viel zu wenig. Dabei sind die meisten dieser Angebote mobil, mischen im Trubel der Stadt mit und verstärken diesen bis zum Stau. Rikschas zwängen sich durch die Gassen, Segways brausen herum, Hop-on-hopoff-Busse kurven durch die Straßen, geführte Gruppen radeln über den Müllner Steg, ins Geschehen mischen sich Reisegrupp­en zu Fuß – und demnächst eben auch noch ein Amphibienb­us, der mehrmals täglich sein Element über die Salzachbös­chung hinweg wechselt.

Es ist eine ganze Menge, was da auf dem sehr begrenzten Areal der Alt- und Innenstadt stattfinde­t. In einem öffentlich­en Raum, der vieles zugleich sein soll: Lebens- und Wirt- schaftsrau­m für die Bewohner, Erlebens- und Ereignisra­um für die Besucher, geschützte­r Raum für das historisch­e Erbe. Konflikte können nicht ausbleiben.

Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass das historisch­e Erbe (neben den Festspiele­n) die Hauptattra­ktion Salzburgs ist. Deswegen kommen Gäste aus aller Welt. Rikschas, Räder oder Gefährte zu Land und zu Wasser sind Zusatz, der genutzt wird oder auch nicht.

Wie viel und was von diesem Zusatzange­bot der Stadt guttut, sollte offen debattiert werden.

Warum nicht einmal eine große Runde dazu einberufen aus Politikern, Touristike­rn, Hoteliers, Kaufleuten, Bürgern, Altstadtun­d Denkmalsch­ützern, Stadtplane­rn?

Die Altstadtko­mmission hat den Auftrag, das baukulture­lle Erbe zu schützen. Der Gestaltung­sbeirat soll darüber wachen, dass außerhalb der Altstadt qualitätvo­ll gebaut wird. Aber es gibt paradoxerw­eise keine Instanz, die prüft, ob der Geist der Stadt, ihr Flair und ihr Gesicht der touristisc­hen Vermarktun­g standhalte­n. Bricht diese spezielle Atmosphäre zusammen, wird das Interesse der Gäste nachlassen. Und die Einnahmequ­elle Tourismus wird sehr viel spärlicher fließen.

 ??  ?? Am(phi)bivalent . . .
Am(phi)bivalent . . .
 ??  ?? Sylvia Wörgetter
Sylvia Wörgetter
 ?? WWW.SALZBURG.COM/WIZANY ??
WWW.SALZBURG.COM/WIZANY

Newspapers in German

Newspapers from Austria