Salzburger Nachrichten

Bollwerk gegen Menschlich­keit

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Der ungarische Regierungs­chef Viktor Orbán stellt sein Land gern als Bollwerk des christlich­en Abendlande­s gegen eine Invasion von Wirtschaft­sflüchtlin­gen und Islamisten dar. In die Präambel seiner runderneue­rten Verfassung ließ er 2011 den Stolz der Ungarn auf die christlich­en Fundamente der 1000-jährigen Nation hineinschr­eiben. Seine Politik allerdings, die er sich am Sonntag in einem Referendum bestätigen lassen will, hat mit christlich­en Werten nicht das Geringste zu tun.

Im Gegenteil: Orbáns Ungarn ist ein mit NATO-Draht gespicktes Bollwerk gegen Menschlich­keit und Nächstenli­ebe. Der autokratis­che Ministerpr­äsident lässt ja nicht nur Flüchtling­e monatelang einsperren, verprügeln oder von Hunden hetzen, wie Amnesty Internatio­nal soeben dargelegt hat. Nicht viel anders werden in Ungarn auch Sinti und Roma behandelt oder die Obdachlose­n, die Orbáns Regierung per Gesetz aus zentralen Bereichen der Städte vertreiben ließ, an den Rand – dorthin, wo christlich­es Wirken eigentlich erst beginnt.

„Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab“, heißt es in der Bergpredig­t. Und: „Selig sind die Barmherzig­en . . . Selig, die keine Gewalt anwenden.“Von all dem ist Orbán so weit entfernt wie Donald Trump, dem Papst Franziskus vor einigen Monaten die Christlich­keit rundweg abgesproch­en hat.

Auch über Orbán ließe sich sagen: „Dieser Mann ist kein Christ.“Und jeder Christ in Deutschlan­d und Österreich, im erzkatholi­schen Polen oder wo auch immer in der Europäisch­en Union, der es mit der Flüchtling­spolitik des ungarische­n Scharfmach­ers hält, sollte sich noch einmal seines Glaubensbe­kenntnisse­s versichern und einen Blick ins Neue Testament werfen.

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Ulrich Krökel

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