Schalke – datt is wie Familie
GELSENKIRCHEN. Sieben Mal war Schalke deutscher Fußballmeister, zuletzt in der Saison 2000/01, allerdings nur für vier Minuten. Dann schoss Patrik Andersson den FC Bayern durch ein Freistoßtor in der Nachspielzeit gegen den Hamburger SV noch zu einem Unentschieden, das den Münchnern am letzten Spieltag zum Titelgewinn reichen sollte. Schalkes Traum war geplatzt, aber die Tränen trockneten schnell. Schalke feierte sich fortan als „Meister der Herzen“.
Das passt zum Mythos dieses Vereins aus dem Gelsenkirchner Stadtteil Schalke, der für viele Anhänger weit mehr ist als ein Fußballclub. Olivier Kruschinski, Autor des Buches „Schalke erleben“, beschreibt das so: Schalke – datt is wie Familie. Man lacht zusammen, man teilt die traurigen Momente. Man geht gemeinsam durch dick und dünn, spricht sich Mut zu, regt sich auf, schimpft, träumt, lobt, leidet, dankt. Man steht mal ganz oben – mal tief unten. Manchmal streitet man sich auch, dann verträgt man sich aber auch wieder. Und ob es dir gefällt oder nicht, du hast eh keine Wahl: Man sucht sich seine Familie nämlich nicht aus, sie sucht sich dich aus. Für immer!
„Schalker wird man nicht, Schalker ist man“, erklärte uns ein Fan beim Lokalaugenschein in der eindrucksvollen Arena AufSchalke. Während Red Bull Salzburg am Mittwochabend gerade das Abschlusstraining absolviert, erleben wir einen Streifzug durch 112 Jahre Fußballgeschichte. An den Wänden hängen riesige Poster früherer Helden, alte Trikots und Bilder historischer Fanchoreografien. Ja sogar eine Kapelle gibt es in dem 60.000erStadion, das zu den modernsten Fußballarenen der Welt zählt. Das Dach lässt sich schließen, der Rasen ist mobil und wird zur Pflege vor das Stadion auf einen Parkplatz gefahren. Und in der Mitte hoch oben über dem Fußballfeld hängt ein gigantischer Videowürfel mit 305 Quadratmetern Bildfläche.
Der Mythos Schalke wird oft und gern thematisiert. Selbst bei der Feier zum 111. Geburtstag 2015 hieß das Thema der „Königsblauen“: Kennst du den Mythos . . .? Die Jubiläumsshow befasste sich mit der Gründung des Vereins und seinen Anfängen im Schatten der Zeche Consolidation und nahm die S04Anhänger mit auf eine musikalische Zeitreise durch die bewegte Geschichte des „geilsten Clubs der Welt“, wie es Schalke ganz selbstverliebt nannte. Es gibt sogar ein Musical über den FC Schalke 04. Der Titel „nullvier – Keiner kommt an Gott vorbei“wurde erstmals 2004 im Gelsenkirchener Musiktheater aufgeführt. Die Veranstaltungen waren restlos ausverkauft. So wie es auch die Heimspiele des UEFA-Cup-Gewinners von 1997 immer sind. Schalke – das ist eine Lebenseinstellung in einer Bergbau-Gegend, die wahnsinnig dicht besiedelt ist und doch so wenig Möglichkeiten bietet. Ein Club, der seine Anhänger verzaubern möchte. Mit 145.000 eingetragenen Mitgliedern ist Schalke in punkto Anhang der zweitgrößte deutsche Sportverein und – nach Bayern München, FC Porto und FC Barcelona – der viertgrößte weltweit. Er unterhält neben Fußball auch Abteilungen für Basketball, Handball, Leichtathletik, Tischtennis und E-Sport. Zum Tag der offenen Tür kamen kürzlich über 100.000 Menschen.
Diese Kraft und Tradition will der Club jetzt auch über Deutschlands Landesgrenzen hinaus tragen, am besten bis nach Amerika. Dafür ist Schalke nun eine Partnerschaft mit einer in New York ansässigen Agentur für Sport- und Unterhaltungsmarketing eingegangen.
Neben Bayern München und Borussia Dortmund ist Schalke der finanzkräftigste Verein der deutschen Bundesliga. Nur sportlich sind die „Königsblauen“derzeit alles andere als ein Vorzeigeclub. Nach fünf Spieltagen liegt Schalke sieglos am Tabellenende. Und das, obwohl der Kader im Sommer hochkarätig verstärkt wurde und auch Wunschtrainer Markus Weinzierl um teures Geld von Augsburg losgeeist wurde.
Die Fans leiden, manche fürchten sogar den Abstieg in dieser Saison, dennoch stehen sie weiterhin bedingungslos hinter ihrem Herzensclub. Denn: Schalke – datt is wie Familie.