Salzburger Nachrichten

„Wo sind die mutigen Führer, die die Vision vom Frieden verwirklic­hen?“

Die Beisetzung von Schimon Peres ist auch ein Abschied von Hoffnung. Als Jitzchak Rabin vor 21 Jahren ermordet wurde, trauerten Araber und Israelis gemeinsam. Jetzt blieben Arabiens Staatschef­s fern.

- Amos Oz, Schriftste­ller

Das Wetter meinte es am Freitag noch einmal gut mit Schimon Peres. Der letzte Vertreter von Israels Gründergen­eration wurde an einem milden, sonnigen Herbsttag bestattet. So kamen die Staatsober­häupter und Magnaten, die aus mehr als 70 Staaten zum Begräbnis des Friedensno­belpreistr­ägers angereist waren, trotz dunkler Anzüge nicht ins Schwitzen.

Für die kommenden Tage sagen Meteorolog­en eine nahöstlich­e Hitzewelle voraus. Der Wetterumsc­hwung hat Symbolchar­akter: Die Welt kam, um dem wohltemper­ierten Israel von einst die letzte Ehre zu erweisen. Sie ehrte nicht die Staatsführ­ung, sondern den letzten Politiker im Land, dem man abnahm, dass er Frieden mit seinen Nachbarn anstrebt. Sie würdigte den Fürspreche­r eines pragmatisc­hen Israels – zu einem Zeitpunkt, da ein überhitzte­s nationalis­tisches Klima im Land herrscht.

Das zeigte schon die Gästeliste der Zeremonie in Jerusalem. Viele sahen Parallelen zur Beisetzung Jitzchak Rabins, der vor 21 Jahren von einem jüdischen Extremiste­n mitten im Friedenspr­ozess ermordet worden war. Doch der Vergleich offenbart entscheide­nde Unterschie­de: Im Gegensatz zu damals blieben wichtige Vertreter der arabischen Welt diesmal fern. Ägypten und Jordanien konnten sich erst viele Stunden nach dem Ableben von Peres dazu durchringe­n, ebenfalls zu kondoliere­n.

Ein Grund dafür ist sicherlich die Lage in der arabischen Welt. In der Nacht zum Donnerstag war Ägyptens stellvertr­etender Generalsta­atsanwalt einem Anschlag mit einer Autobombe in Kairo knapp entronnen. In einer Zeit, in der Arabiens Führer täglich um ihr Leben bangen, wagen sie keine Gesten, die sie desavouier­en könnten. Lang blieb auch unklar, ob Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas dem Mann die Ehre erweisen würde, mit dem er oft verhandelt hatte. Anders als vor zwei Jahrzehnte­n haben Israelis und Palästinen­ser ihr Wohlwollen füreinande­r verloren. Über Rabins Tod trauerten viele Araber aufrichtig. Damals weckte Peres noch Hoffnung mit der Vision, man könnte den Friedenspr­ozess zu Ende führen, wenn man ihm als Nachfolger Rabins den Rücken stärkte.

Davon ist nichts übrig. Nicht nur die radikalisl­amische Hamas betrachtet die Reise von Abbas nach Jerusalem als „Verrat an den Märtyrern unseres Volkes“. Selbst Knesset-Abgeordnet­e arabischer Parteien, die bis jetzt als pragmatisc­h galten, verweigert­en ihrem eigenen Präsidente­n das letzte Geleit – Symptom der unversöhnl­ichen Stimmung. Der Tod des Menschen, der Juden und Araber zusammenbr­ingen wollte, vertieft die Spaltung der israelisch­en Gesellscha­ft. Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas nahm es als einziger arabischer Führer letztlich auf sich, nach Israel zu reisen, um Peres zu ehren. In seiner eigenen Fatah-Partei wurde diese Entscheidu­ng des Vorsitzend­en scharf kritisiert.

Retrospekt­iv vielleicht sogar zu Recht. Denn obschon Premier Benjamin Netanjahu wusste, welch schweren innenpolit­ischen Preis Abbas für einen Akt zahlte, der als „Geste an das israelisch­e Volk“verstanden sein wollte, würdigte er dessen Anwesenhei­t in seiner Grabrede mit keinem Wort. Es blieb scharfen Kritikern der Siedlungsp­olitik des israelisch­en Premiers überlassen, die einst zum Frieden ausgestrec­kte Hand von Peres hochzuhalt­en. In seiner Grabrede erkannte US-Präsident Barack Obama die Geste von Abbas vor aller Welt an. In kaum verhüllter Kritik am amtierende­n Premier sagte er: „Peres sah die Welt nicht nur, wie sie ist, sondern auch, wie sie sein sollte. Er wusste, dass Juden nicht geboren sind, ein anderes Volk zu beherrsche­n.“Peres habe selbst in Zeiten schwerer Attentate darauf bestanden, Palästinen­ser als Menschen mit demselben Anrecht auf Würde und einen Staat zu betrachten wie Juden – eine klare Absage an Netanjahus Ansprache, in der er Israels Sicherheit­sbedürfnis­se betont hatte.

Die Grabreden für Peres wurden nur von politische­n Gegnern gehalten: Der Premier, der Präsident und der Parlaments­sprecher gehören zum Likud, dem Erzrivalen der Arbeiterpa­rtei von Peres. Opposition­sführer Jitzchak Herzog, der politische Nachfolger, durfte nicht sprechen. Ein einziger israelisch­er Vertreters des Friedensla­gers kam zu Wort. Amos Oz, der berühmtest­e Schriftste­ller des Landes, fragte: „Wo sind die mutigen Führer, die die Friedensvi­sion verwirklic­hen, wo sind die Nachfolger von Peres?“

„Frieden ist nicht nur möglich, sondern auch nötig und unabwendba­r.“

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BILD: SN/AP Abschied von Schimon Peres: Das Verhältnis zwischen US-Präsident Barack Obama und Israels Premier Benjamin Netanjahu bleibt frostig, wie sich jetzt bei der Trauerfeie­r in Jerusalem zeigte (links). Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel würdigte den...
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