Salzburger Nachrichten

Die Medienland­schaft im Banne der Glokalisie­rung

Vom Gebührenwu­nsch bis zum Stellenabb­au: Es tobt der Verteilung­skampf. Denn die Branche braucht neue Finanzieru­ngsmodelle.

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Guter Wille ist Thomas Drozda nicht abzusprech­en. Erst zeigt der Minister Verständni­s allein durch Veranstalt­ung einer Enquete zu Demokratie und Medienförd­erung. Dann reagiert er geschickt auf Kritik an der Besetzung dieser Anhörung: Übergewich­tung von Wien und Boulevardb­lättern sowie Unterbelic­htung des öffentlich-rechtliche­n Bereichs entgegnet er durch kurzfristi­ge Einladung des Vorarlberg­er Zeitungsve­rlegers Eugen Russ und prompte Ankündigun­g einer ORF-Enquete im Frühjahr.

Folgericht­ig twitterte Drozda noch während des Gipfels im Bundeskanz­leramt: „Diskussion um Bestandssi­cherung von redaktione­ll gestaltete­n Medien nicht als Verteilung­skampf in der Branche inszeniere­n!“Klingt gut. Wie Kanzler Christian Kern. Drozda kann Kommunikat­ion.

Szenenwech­sel I: Eine Woche später verordnet Horst Pirker als Mehrheitsg­esellschaf­ter seiner Verlagsgru­ppe News eine bittere Pille. Bis Jahresende wird Österreich­s MagazinMar­ktführer bis zu 100 Mitarbeite­r, ein Fünftel seiner Belegschaf­t abbauen. Nach drei Jahren mit Millionenv­erlusten und Rückzug des deutschen Haupteigne­rs geht es ums Überleben.

Szenenwech­sel II: Weitere zwei Tage später erklärt Generaldir­ektor Alexander Wrabetz dem ORF-Publikumsr­at, warum er eine Erhöhung der Rundfunkge­bühren verlangt. Er verweist auf das bereits um 650 Stellen verkleiner­te Personal. Auch der lang speckgepol­sterte ORF ist in vielen Bereichen schon am unteren Gewichtsli­mit und qualitätsg­efährdet.

Szenenwech­sel III: Nach 129 Jahren stellt die „New York Times“ihre Auslandsau­sgabe ein. Das lang mit der „Washington Post“als „Internatio­nal Herald Tribune“herausgege­bene Blatt hatte noch eine Auflage von 170.000 Exemplaren. Doch es rentiert sich nicht mehr.

Diese exemplaris­che Ereigniske­tte nach dem Drozda-Tweet verdichtet nur die seit Monaten immer intensiver­e Umwälzung des Medien- marktes. Er entspricht der Glokalisie­rung, den auch lokal unentrinnb­aren Folgen der Globalisie­rung. Hier lässt sich kein „Verteilung­skampf in der Branche inszeniere­n“– wovor der Minister zu Recht auf der nationalen Ebene warnt. Denn diese ist nicht ausschlagg­ebend. Der Verteilung­skampf tobt längst glokal.

Das wissen auch Drozda und Kern. Sie wollen deshalb Google, Facebook und Apple zur Kassa bitten. Doch falls dies überhaupt gelingen sollte, wird es lang dauern, während weiterhin marktverze­rrende Förderunge­n in Österreich der Branche insgesamt mehr schaden als nutzen. Sie benötigt einen nationalen Befreiungs­schlag in jener atemberaub­enden Höchstgesc­hwindigkei­t der Medienentw­icklung, die sich seit jeher schlecht mit der Langsamkei­t politische­r Prozesse verträgt. Peter Plaikner

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