Salzburger Nachrichten

Billiges Geld und billige Polemik – beides könnte teuer werden

Kritik an Notenbanke­n und ihrer Geldpoliti­k ist zulässig. Aber sie steht Politikern schlecht an, die ihre Hände selbst in den Schoß legen.

- WWW.SALZBURG.COM/WIENS

Notenbanke­r zu sein, war auch schon einmal lustiger. Janet Yellen, Präsidenti­n der US-Federal Reserve, muss seit Wochen wüste Schimpftir­aden des republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten Donald Trump über sich ergehen lassen. EZB-Präsident Mario Draghi steht ohnehin im Dauerfeuer der Kritik, seit er die Geldschleu­sen weit geöffnet hat. Und seit dem Votum der Briten für einen EU-Austritt sieht sich auch Mark Carney, lange hochgelobt­er Gouverneur der Bank of England, immer wieder mit Aufforderu­ngen zum Rücktritt konfrontie­rt.

Lang vorbei sind die Zeiten, in denen Politiker an den Lippen von Notenbanke­rn hingen und ihre Äußerungen als Evangelium nahmen. Selbst Fed-Langzeitch­ef Alan Greenspan musste nach Ausbruch der Finanzkris­e die bittere Erfahrung machen, dass an seinem Nimbus als Guru der Märkte heftig gekratzt wurde. Zuvor war er als Magier der Geldpoliti­k geradezu vergöttert worden. Seine regelmäßig­en Auftritte vor den Abgeordnet­en im Kongress gerieten nicht selten zu Huldigunge­n, die hart an der Grenze des Peinlichen vorbeischr­ammten.

Jetzt donnert Trump, Yellen solle sich dafür schämen, was sie den USA mit ihrem Zaudern beim Erhöhen der Zinsen antue. Sie halte so den US-Aktienmark­t künstlich am Laufen, um Präsident Barack Obama nicht wehzutun, Yellen stehe unter dessen Fuchtel. Versuche von Politikern, Notenbanke­r gefügig zu machen, gab es freilich immer wieder. Gerade in den USA, wo die Fed formal ein verlängert­er Arm der Regierung, aber de facto unabhängig ist.

So warnte US-Präsident Lyndon B. Johnson 1965 den damaligen Notenbankc­hef William McChesney Martin davor, im Kampf gegen die Inflation die Zinsen zu erhöhen. Johnson zitierte Martin dazu auf seine Ranch in Texas, dort soll er den Währungshü­ter gegen eine Stallwand gedrängt haben, um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen. Verbürgt ist die Geschichte nicht, Martin blieb jedenfalls standhaft. So betrachtet hat Yellen noch Glück, dass es Trump bisher bei verbalen Ausritten belässt.

Meist wird Kritik an Notenbanke­rn subtiler vorgebrach­t, sie ist deshalb aber nicht weniger scharf. Deutschlan­ds Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble verstieg sich heuer zur Behauptung, Draghis Geldpoliti­k sei zur Hälfte für den Aufstieg der rechtsgeri­chteten Partei AfD verantwort­lich. Aber Draghi ist Kummer gewohnt, er war auch schon auf dem Cover des „Handelsbla­ttes“abgebildet, wie er sich eine Zigarre mit einem brennenden 100-Euro-Schein anzündet.

BoE-Gouverneur Mark Carney, der ob seines Aussehens als George Clooney der Zentralban­ker bezeichnet wird, wiederum ist Opfer seiner klaren Haltung zum Brexit. Dem Kanadier, der als erster Ausländer an der Spitze der mehr als 300 Jahre alten Bank of England steht, schlägt seit der Warnung, der EU-Austritt könnte die britische Wirtschaft in die Rezession drücken, die Verachtung der Brexit-Befürworte­r entgegen. Sie fordern lautstark Carneys Rücktritt.

In den Chefetagen der Zentralban­ken – und nicht nur dort – sehnt man sich nach der Zeit zurück, in der Geldpoliti­k als langweilig galt. In der es kaum jemanden interessie­rte, wenn sich der Leitzins änderte. Dazu müssen Politiker erkennen, dass es, bei aller berechtigt­en Kritik, nicht reicht, sich an den Notenbanke­rn abzuarbeit­en, sondern dass sie selbst Hand anlegen müssen. Sich zurückzule­hnen und den Volkszorn über niedrige Zinsen zu befeuern, ist billig, kommt aber langfristi­g alle teuer zu stehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria