Ganztagsschule und Mozart
Wie in einigen Leserbriefen richtig konstatiert – die Ganztagsschule wird ganz sicher keinen Mozart hervorbringen! Vermutlich aber wird sie stattdessen unsere Musikschulen umbringen (können). Schon jetzt ist es den Lehrkräften an den Musikschulen kaum mehr möglich, einen tragfähigen Stundenplan zu erstellen und ihre Schüler entsprechend unterzubringen. Dieses Faktum scheint aber niemand besonders zu kümmern. Weder jenen Personenkreis, der direkt davon berührt sein sollte, noch alle jene, die kulturpolitisch oder -publizistisch oder sonstwie berufen wären, sich darüber Gedanken zu machen bzw. diese Problematik in der Öffentlichkeit zu thematisieren. Gewiss, Musikschulen sind ein Minderheitenthema – genauso wie Museen, Opernhäuser, Konzertsäle und Kulturorchester. Ihr Absterben wäre aber nicht nur für die dortselbst Lehrenden eine existenzielle Katastrophe, sondern vielmehr ein dramatischer Verlust für die Gesamtgesellschaft, der vermutlich erst dann bewusst werden wird, wenn es bereits zu spät Schreiben Sie uns! ist. Natürlich ist die ausreichende Bereitstellung ganztägiger Betreuungsformen für unsere Jugend heute eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Doch scheint mir die von bestimmten politischen Gruppierungen favorisierte Form der verschränkten Ganztagsschule aus einer Mehrzahl von Gründen gegenüber anderen strukturierten schulischen Betreuungsangeboten ganz klar die ungünstigere zu sein. Nachteilig wirkt sich in der ganzen Problematik zusätzlich aus, dass die Musikschulen als kulturelle Angelegenheit Bundesländersache sind und daher in der bundespolitischen Bildungsdiskussion keine Rolle spielen (dürfen). Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit und geraten, die Musikschulen – und mit ihnen all das, was sie über das rein Musikalische hinaus noch zu vermitteln vermögen – in den Rang eines immateriellen Kulturerbes der Menschheit zu erheben, um ihr Absterben zu verhindern! Der Verlust dieser künstlerisch-pädagogischen Bildungseinrichtung würde sich nämlich für die Zukunft als ein schwerwiegender Mangel herausstellen, dann aber irreparabel sein. Bitte aufwachen! em. Univ.-Prof. Bruno Steinschaden,