Böser Nico Rosberg
ICHgehöre nicht zu den Nostalgikern, die sich eine goldene Kindheit zurechtfantasieren. Im Internet. Natürlich, wo denn sonst? Online gehen diese Leute mit ihrem Stolz hausieren, eine internetfreie Jugend erlebt zu haben. Und eine ohne Handy. Erst recht eine ohne Smartphone. „Ja, wir haben noch echte Gespräche geführt“, so und ähnlich heißt es auf den vielen Facebook-Eintragungen, die meist mit „Wir haben überlebt, obwohl . . .“beginnen.
Hätte ich einst eine Ahnung gehabt, dass es so etwas wie das Internet oder ein Smartphone geben könne – ich hätte mir das alles sehnlichst gewünscht. In den Jahren, als wir geglaubt hatten, anno 2016 werden Bausparverträge nur noch abgeschlossen, um ein Wochenendhäuschen auf dem Mond zu errichten. Internet in den Roaring Sixties, das wäre etwas gewesen. Der Agentin Emma Peel über Twitter zu folgen. Den Song „Penny Lane“von den Beatles anklicken, wenn er fertig war – und nicht ein paar Wochen auf den Verkaufsstart der Single warten müssen.
John Lennon hätte mit seiner Bemerkung, wonach die Beatles populärer als Jesus Christus geworden seien, einen Shitstorm ausgelöst. Die erdteilübergreifende Empörungswelle hätte das Netz zum Glühen gebracht. Aber es gab noch kein Internet und ich konnte mir auch keins vorstellen.
Womit ich beim Thema bin, über das ich heute schreiben wollte. Das Internet musste dieser Tage wieder einmal einen Shitstorm verkraften. Nico Rosberg, der Mann, der heuer doch vielleicht Formel-1-Weltmeister werden darf, erlaubte sich nämlich eine Ungeheuerlichkeit. Er stellte einen Schnappschuss von einem seiner raren freien Tage ins Netz. Aus einer Laune heraus, als Gruß an seine Fans. Zu sehen: Nicos Ehefrau Vivian und sein Töchterchen Alaia, wie sie vom Heck eines fahrenden Schiffes auf die Wellen schauen. Aufgenommen von hinten.
Alaias Gesichtchen ist nicht erkennbar. Also kein Vergehen gegen Persönlichkeitsrechte. Trotzdem brach der Shitstorm los. Unzählige Menschen wetterten gegen Rosberg. Der Grund: Alaia trägt, wie Zigtausend andere Kinder auf Ausflugsbooten auch, keine Schwimmweste! Rosberg entschuldigte sich.
Es gibt Momente, da wünsche auch ich mir goldene Tage ohne Internet.