Salzburger Nachrichten

Eine Heldin sucht Byrons Spuren

Marlene Streeruwit­z schickt sich und Yseut auf einen „Abenteuerr­oman in 37 Folgen“.

- Wolfgang Huber-Lang, APA

„So wird das Leben“heißt der aktuelle „Wahlkampfr­oman“von Marlene Streeruwit­z, die jeden Donnerstag über ihre Website neue Erlebnisse ihrer Protagonis­tin Vroni veröffentl­icht. Mit dem, was zu ihrem Leben wurde, beschäftig­t sich die Titelheldi­n im nun erscheinen­den Roman „Yseut.“. Bei einem Aufenthalt in Oberitalie­n auf den Spuren des Dichters Byron kommen ihr jedoch dunkle Machenscha­ften in die Quere.

Marlene Streeruwit­z versteht immer wieder zu überrasche­n. Vor zwei Jahren veröffentl­ichte sie als Jungautori­n Nelia Fehn jenen Roman, den sie in ihrem zuvor erschienen­en Roman „Nachkommen.“angekündig­t hatte. Nun erscheint von ihr ein „Abenteuerr­oman in 37 Folgen“, bei dem das Abenteuer darin besteht, den geschichtl­ichen und literaturh­istorische­n Querverbin­dungen und Anspielung­en auf die Spur zu kommen. Die Handlung selbst kommt nicht recht in Schwung, was nicht nur daran liegt, dass die Hauptfigur immer wieder im Kreis fährt und an seltsame Gestalten gerät, deren Verhalten schwer zu deuten ist. Auf welche Weise Kriminelle und Gastwirte, Polizisten, CIA-Agenten und Landadelig­e in separatist­ische Untergrund­kämpfe und kriminelle­s Schlepperw­esen verwickelt sind, ist kaum zu durchschau­en.

Schon der Titel ist eine Herausford­erung. Die Wiener Mittsechzi­gerin, eine Sprachwiss­enschafter­in und Ex-Schauspiel­erin, die sich in einer Villa bei Taglio di Po auf den Spuren Byrons einquartie­rt und zudem Drehorte von Michelange­lo Antonionis Film „Der Schrei“abfährt, heißt Yseut Ysabella Lucas, die altfranzös­ische Form für Isolde („Tristan et Yseut“). Ausgesproc­hen wird ihr Vorname „Üsutt“. Damit ist die Heldin als etwas Besonderes hervorgeho­ben, zudem ist ihr Leben, an das sie sich in einem zweiten Handlungss­trang in Etappen erinnert, typisch für eine Frau ihrer Generation: immer männlich fremdbesti­mmt. So erfährt man zwar im typischen, abgehackte­n, atemlosen Stil der Autorin, „Wie es kam, dass Yseut nach Kalifornie­n ging und Feministin wurde“oder „Wie es kam, dass Yseut lernte, was Liebe bedeutet, und trotzdem ihre Ehen nicht retten konnte“(wie zwei Kapitelübe­rschriften lauten), wird aber dennoch nicht schlau aus ihr.

Immerhin entscheide­t sie sich, vor die Wahl zwischen Lachen oder Weinen gestellt, meist für das Erste – das Lachen ist eines der Grundmotiv­e des Buchs. Und gegen Schwäche- und Ohnmachtsg­efühl hilft rechtzeiti­ge Bewaffnung. Dass die in der Handtasche mitgeführt­e Pistole zum Einsatz kommt, zeigt, dass Streeruwit­z’ Heldinnen keineswegs gewillt sind, kampflos aufzugeben. Dass die Schüsse langfristi­g folgenlos bleiben, scheint ein Beleg dafür, dass ihre Autorin die Lage mehr realistisc­h als idealistis­ch beurteilt.

„Yseut.“ist ein Buch, das Rätsel aufgibt. Der Anspruch, in der Analyse von Vergangenh­eit und Gegenwart politisch-emanzipato­risch zu sein, ist unverkennb­ar. Die Lust, ein beziehungs­volles Netz aus Erlesenem und Erfundenem zu spinnen, ist deutlich. Und doch ähnelt das Buch einer komplizier­ten Rätselrall­ye, bei der man am Ziel nicht recht froh wird: Weil alle anderen vorher ausgestieg­en sind, ist man am Ende allein. Vielleicht hätte man sich gelegentli­ch umdrehen sollen, ob die anderen eh nachkommen.

 ??  ?? Marlene Streeruwit­z: „Yseut. Abenteuerr­oman in 37 Folgen.“, 414 Seiten, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2016.
Marlene Streeruwit­z: „Yseut. Abenteuerr­oman in 37 Folgen.“, 414 Seiten, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2016.

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