Wer mehr Geld bekommt, macht auch mehr Schulden
Die Mittelzuteilung aus dem Finanzausgleich verleite die Gemeinden zu einer sorglosen Haushaltsführung, kritisiert die Agenda Austria. Sie schlägt eigene Gemeindesteuern vor.
WIEN. Gemeinden, die einen größeren Anteil an den Steuereinnahmen erhalten, haben nicht weniger, sondern mehr Schulden. – Zu diesem auf den ersten Blick kuriosen Ergebnis kommt eine Untersuchung der Denkfabrik Agenda Austria.
Sie zieht daraus den Schluss, dass die Zuteilung von Erlösen aus Steuern, für deren Einhebung man nicht selbst verantwortlich ist, zu einer sorgloseren Finanzgebarung verleite. Die lokalen Entscheidungsträger würden dadurch in Versuchung geraten, mehr Geld auszugeben, als ihnen zur Verfügung steht.
Für die Untersuchung wurde die Finanzgebarung von Gemeinden mit knapp mehr und mit knapp weniger als 10.000 Einwohnern verglichen. Diese Zahl ist eine wichtige Grenze im Finanzausgleich. Denn die Aufteilung der Steuereinnahmen des Bundes auf die einzelnen Gemeinden erfolgt nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Kleine Gemeinden erhalten pro Einwohner einen geringeren Anteil an den Steuereinnahmen als große Gemeinden. Der Grund dafür ist, dass größere Gemeinden mehr Aufgaben (etwa im Verkehr oder im Schulwesen) zu erfüllen haben als Kleingemeinden.
Eine wichtige Grenze wird bei 10.000 Einwohnern gezogen. Gemeinden, die darunter lagen, erhielten zwischen 2005 und 2014 im Schnitt 677 Euro pro Kopf aus dem Steuertopf. Gemeinden, die mehr als 10.000 Einwohner aufweisen, erhielten im Schnitt 791 Euro, also um 17 Prozent mehr.
Trotzdem wuchsen die Schulden in den größeren Gemeinden stärker als in den kleinen Gemeinden, schreibt die Agenda Austria. Die österreichischen Gemeinden mit 9000 bis 10.000 Einwohnern haben sich seit 2005 jährlich mit durchschnittlich 1,3 Millionen Euro verschuldet, die Gemeinden mit 10.000 bis 11.000 Einwohnern hingegen um 2,4 Millionen Euro, also doppelt so hoch. Die Agenda Austria folgert daraus, dass die zentrale Geldzuteilung die Gemeinden zu einer weniger gewissenhaften Haushaltsführung verleite. Schließlich könnten die Gemeinden davon ausgehen, im Notfall von Bund oder Land finanziell gerettet zu werden. Die Wirtschaftsforscher fordern daher, dass sich die Gemeinden in einem viel größeren Maße über selbst eingehobene Steuern finanzieren sollten. Denn die Politik würde mit vor Ort eingehobenen Steuermitteln viel sorgsamer umgehen, da sie ja ihren Bürgern dann direkt dafür verantwortlich wäre. Die Agenda Austria plädiert für das Schweizer Steuermodell. Dort hebt der Bund nur einen Basissteuersatz ein, die Kantone und Gemeinden heben Zuschläge in jener Höhe ein, die ihnen angemessen erscheint und die sie vor ihren Bürgern verantworten können. Das führe zu einer gewissenhafteren Haushaltsführung, heißt es in der Untersuchung. Dem österreichischen System des Finanzausgleichs bescheinigt sie hingegen das Setzen falscher Anreize. Der neue Finanzausgleich, der ab 2017 gelten soll, dürfte diesbezüglich am bisherigen System aber nichts ändern. Das war dem bisherigen Verhandlungsverlauf zu entnehmen.