Salzburger Nachrichten

Größter Spionagesk­andal seit den Snowden-Enthüllung­en?

Der Internetdi­enst Yahoo soll eingehende E-Mails Hunderter Millionen Nutzer im Auftrag einer US-Behörde gescannt haben. Andere US-Unternehme­n müssen sich rechtferti­gen.

- SN-th, dpa

Wonach gesucht wurde, ist unklar. Auch die Behörde, die den Auftrag dazu gegeben haben soll, ist noch nicht bekannt. Dennoch hat der Fall die Ingredienz­en für den größten Spionagesk­andal nach den Enthüllung­en von Edward Snowden. Denn der Internetko­nzern Yahoo hat nach Medieninfo­rmationen im vergangene­n Jahr heimlich die E-Mails Hunderter Millionen Nutzer auf Anfrage einer US-Behörde durchforst­et. Es sei unklar, wonach genau gesucht worden sei – und ob dabei Informatio­nen an die Regierung gegangen seien, schrieb die „Washington Post“unter Berufung auf einen früheren Mitarbeite­r.

Yahoo erklärte in einer Reaktion zunächst lediglich, man halte sich an Gesetze der USA. In einer weiteren Stellungna­hme bei der Website Ars Technica hieß es, die Darstellun­g sei irreführen­d. Ein solches Durchforst­en von E-Mails gebe es im Yahoo-System nicht – diese Formulieru­ng bezog sich zwar auf die heutige Zeit, machte aber keine Angaben zur Vergangenh­eit.

Die jüngsten Berichte wären die erste Bestätigun­g aus der Branche für ein flächendec­kendes Durchleuch­ten von Informatio­nen in Echtzeit – auch wenn dies nicht von einem Geheimdien­st, sondern vom Unternehme­n selbst ausgeführt worden sei.

Der damalige Yahoo-Sicherheit­schef Alex Stamos und mindestens ein weiterer Manager hätten das Unternehme­n verlassen, weil sie mit dem Einlenken ohne Gegenwehr nicht einverstan­den gewesen seien, schrieb die „Washington Post“. Stamos arbeitet jetzt bei Facebook. Er baute dort die Verschlüss­elung deutlich aus. So können seit Mittwoch alle Nutzer des Kurzmittei­lungsdiens­tes Messenger verschlüss­elte Unterhaltu­ngen führen. Der Facebook Messenger hat rund eine Milliarde Nutzer.

Der frühere Yahoo-Mitarbeite­r sagte der „Washington Post“auch, bei der Aktion sei ein SoftwareFe­hler gemacht worden, der alle E-Mails für Hacker angreifbar gemacht habe. Yahoo musste gerade erst eingestehe­n, dass bereits im Jahr 2014 Hacker Profilinfo­rmationen von mindestens 500 Millionen Nutzern erbeutet hatten.

NSA-Enthüller Edward Snowden hatte im Juni 2013 berichtet, der USAbhördie­nst habe einen weitreiche­nden Zugriff auf Informatio­nen bei Internetun­ternehmen. Die Konzerne betonten daraufhin wiederholt, es gebe keinen Generalzug­ang, und sie rückten Daten nur auf richterlic­he Anordnung heraus.

Auch nach den neuen Berichten versichert­en unter anderem Goo- gle, Microsoft und Apple, sie hätten solche Geheimdien­stforderun­gen nicht hingenomme­n. „Wir haben nie eine solche Anfrage erhalten – und wenn das passiert wäre, hätten wir einfach geantworte­t: ,Auf keinen Fall‘“, sagte ein Google-Sprecher. Von Apple hieß es, man habe nie Anfragen dieser Art erhalten. „Wenn wir eine bekämen, würden wir uns vor Gericht dagegen wehren.“

Microsoft erklärte der „Washington Post“, der Konzern habe nie heimlich den E-Mail-Verkehr gescannt. Microsoft verklagte vor einigen Monaten die US-Regierung, um sich das Recht zu erstreiten, Nutzer über Anfragen von Sicherheit­sbehörden informiere­n zu dürfen.

Anfragen mit Bezug zur nationalen Sicherheit sind in den USA geheim, und allein sie zu bestätigen ist strafbar. Nach den SnowdenEnt­hüllungen handelten die Internetun­ternehmen. Sie erreichten zumindest das Recht, Zahlen zu Anfragen mit Bezug zur nationalen Sicherheit in einer Zeitspanne nennen zu dürfen.

Yahoo hatte sich bereits 2007 erfolglos vor Gericht gegen eine Überwachun­gsaufforde­rung nach dem Gesetz zur Auslandsau­fklärung gewehrt. Damals war von dem Unternehme­n verlangt worden, E-Mail-Profile ohne richterlic­hen Beschluss zu durchsuche­n. Details des Falls sind nach wie vor unter Verschluss.

Snowden, der in Russland im Asyl lebt, meldete sich nach den Berichten zu Wort und warf unter anderem die Frage nach möglichen Folgen für die „PrivacyShi­eld“-Vereinbaru­ng zur Datenüberm­ittlung in die USA auf. Europäer wollen ihre Daten damit gerade auch vor solchen massiven Scan-Aktionen schützen. Die neue Übereinkun­ft löste die „Safe-Harbor“-Vereinbaru­ng ab, die vor Gericht für ungültig erklärt worden war.

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BILD: SN/APA (EPA)/DANIEL BOCKWOLDT Yahoo steht im Verdacht, E-Mails seiner Kunden durchsucht zu haben.
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