Das Material macht die Kunst poetisch
WIEN. Nahezu alles eignet sich für Kunst, wenn es um das Material geht, sei es Beton, Wachs oder Jute. Anne Schneider fertigt zum Beispiel aus Jute „Skulpturen“an, gießt Beton in selbst genähte Formen. Bei genauem Hinsehen bleiben eben Nahtspuren erhalten, alles wirkt irgendwie weich und organisch, ein Irrtum. Ihre Skulpturen waren im 21er Haus zu sehen, nun ist Anne Schneider auch an einer Gruppenausstellung im Leopold Museum beteiligt. Dort hat Kuratorin Stephanie Damianitsch eine Reihe von durchwegs erfolgreichen Künstlern zur Ausstellung mit dem wenig reißerischen Titel „Poetiken des Materials“zusammengeholt. In der Überschau zeigen sich die Arbeiten von Anne Schneider, Benjamin Hirte, Sonia Leimer, Christian Kosmas Mayer, Mathias Pöschl und dem Künstlerduo Misha Stroj und Michael Hammerschmid als Wechselspiel von Materialien und persönlicher Sprache, eine Kunst, für die jemand den Ausdruck „Neuer Materialismus“erfunden hat.
„Die Wahrnehmung der Welt als ein textuelles Gewebe wird beibehalten – aber das Material wird mit hineingenommen, es wird selbst zum kulturellen Bedeutungsträger“, erklärte Kuratorin Stephanie Damianitsch. Und wie es in der Kuratorensprache so üblich ist, gibt es Er- klärungen wie zum Beispiel: Eingebun- den in die Struktur der vorwiegend skulpturalen und installativen Kunstwerke werden ihre Ästhetik und Geschichtsträchtigkeit freigelegt sowie ihr semantischer Gehalt analysiert. Das wiederum sagt Hans-Peter Wipplinger, der neue Direktor des Leopold Museums, der diese zeitgenössische Schau künftig als „eine weitere wichtige Säule unserer Wechselausstellungen“bezeichnet. Man wolle keine „Alibi-Aktion, um auch auf den Zeitgenossen-Zug aufzuspringen“, sondern aktuelle Kunst regelmäßig, auf großer Fläche und gleichberechtigt mit den anderen Schwerpunkten des Hauses zeigen, sagt Wipplinger. Bezüge zur hauseigenen Sammlung sind dabei gern gesehen, aber nicht Voraussetzung für die Auswahl der Künstler. Christian Kosmas Mayer hat die Sammlung des Leopold Museums vor Augen, wenn er in einem Video vormacht, wie man sich anhand von Assoziationen und Geschichten zu den Museums-Objekten per Mnemotechnik ein 52-teiliges Kartenspiel einprägt. Mit einer blauen Installation von Zaunelementen und Ästen regt Mayer eine „Zeitkapsel“an. Erklärungen tun not, auch wenn die Kuratorin vorschlägt, die Exponate weniger unter ästhetischen, sondern vielmehr unter poetologischen Kriterien zu betrachten.