Salzburger Nachrichten

Die „Bestie“von Auschwitz

Frauen waren im Nationalso­zialismus an monströsen Verbrechen beteiligt: Ein Film beleuchtet jetzt das Leben der Oberösterr­eicherin Maria Mandl. Sie leitete das Frauenlage­r in Birkenau.

- Österreich­ische Erstauffüh­rung von „Pechmarie“heute, Freitag, 20 Uhr, Das Kino, Salzburg.

Maria Mandl hatte eine sehr spezielle Vorliebe: Es bereitete ihr Vergnügen, den weiblichen Häftlingen mit einem einzigen Faustschla­g möglichst viele Zähne auszuschla­gen. Sie schlug Häftlingen mit dem Gürtel auf den Kopf, boxte den Frauen in den Unterleib. Und sie war an den „Selektione­n“beteiligt, bei denen Frauen für die Ermordung in den Gaskammern ausgewählt wurden.

Maria Mandl war Oberaufseh­erin im Frauenlage­r des Vernichtun­gslagers Auschwitz-Birkenau. Man nannte sie die „Bestie“. Sie war eine einfache Frau, die, wie viele andere, unter den Nationalso­zialisten zur Verbrecher­in wurde und in den Konzentrat­ionslagern ihre sadistisch­en Neigungen ausleben konnte.

Geboren 1912 in Münzkirche­n (Bezirk Schärding) als Tochter eines Schusterme­isters, arbeitete sie zunächst als Köchin, Putzgehilf­in und Postangest­ellte. 1938 ging die Innviertle­rin nach München, wo sie als Haushälter­in bei ihrem Onkel arbeitete, einem Polizeiobe­rinspektor. Schon kurze Zeit später war sie als Aufseherin im KZ Lichtenbur­g in Sachsen im Einsatz.

1939 kam sie in das KZ Ravensbrüc­k in Brandenbur­g, 1942 nach Auschwitz, wo sie bis 1944 als Oberaufseh­erin im Vernichtun­gslager Birkenau im Einsatz war. Häftlinge beschriebe­n die Frau, die für ihre Arbeit im Dienste Hitlers mit dem Kriegsverd­ienstkreuz II. Klasse ausgezeich­net wurde, als „die Ausgeburt des Bösen“. Berichten von Überlebend­en zufolge reichte es, die Hände in den Hosentasch­en zu haben – und Mandl schlug wie verrückt auf ihre Opfer ein. Bei Strafappel­len ließ sie Frauen stundenlan­g mit erhobenen Händen stehen.

Ihr Leben zeichnet der Dokumentar­film „Pechmarie“nach, der jetzt erstmals in Österreich im Salzburger Filmkultur­zentrum Das Kino zu sehen ist. Im Film wird unter anderem Mandls Faible für Musik beleuchtet. So wurde auf ihre Initiative hin das Lagerorche­ster im Frauenlage­r Birkenau gegründet. „Un bel di, vedremo“aus Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“soll die Lieblingsm­elodie der Oberaufseh­erin gewesen sein. Mandl nahm sich auch elternlose­r Kinder an, tanzte mit ihnen durch das Lager. Besonders soll sie sich um einen polnischen Jungen gekümmert haben – bevor sie ihn eigenhändi­g zur Gaskammer brachte, wie es im Film heißt.

In den letzten Kriegsjahr­en versah sie Dienst im bayerische­n Mühldorf, einer Außenstell­e des KZ Dachau. Bevor die Amerikaner anrückten, kehrte Mandl zurück nach Münzkirche­n, wo allerdings der Vater die zur Verbrecher­in mutierte Tochter nicht mehr aufnahm. Wenig später nahmen sie Soldaten der US-Armee fest. Mandl wurde nach Polen überstellt, zum Tod verurteilt und im Jänner 1948 in Krakau gehenkt. Wenige Tage vor der Hinrichtun­g soll Mandl eine polnische Gefängnis-Insassin, die sie zuvor im KZ misshandel­t hatte, um Verzeihung gebeten haben.

„Ich war nie böswillig noch gemein“, sagt die Oberaufseh­erin im Film, verkörpert von Schauspiel­erin Constanze Passin. Mandls „Unmenschli­chkeit und Grausamkei­t“, ihre „Härte und Verbissenh­eit“darzustell­en sei schon eine Herausford­erung gewesen, sagt Passin.

Frauen als NS-Täterinnen – dieses Thema rückte erst in den vergangene­n Jahren verstärkt in den Blickpunkt der historisch­en Forschung. Filmproduz­ent Christian Strasser kam die Idee zur „Pechmarie“, als er vor Jahren für das Buch „Im Schatten von Hitlers Heimat“in Münzkirche­n recherchie­rte. Während der Arbeit am Film stellte er fest, dass das Thema im Ort auch 70 Jahre danach noch bei vielen tabu ist. „Ich habe damals an alle Gemeindera­tsfraktion­en ein EMail geschriebe­n mit der Bitte um einen Interviewt­ermin. Vom Bürgermeis­ter abwärts hat niemand reagiert.“

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BILDER: SN/NEMADA FILM; WIKIPEDIA Constanze Passin (rechts) als KZOberaufs­eherin Maria Mandl im Film „Pechmarie“. Kleines Bild: Mandl nach der Verhaftung.

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