Salzburger Nachrichten

Eine einvernehm­liche Scheidung wäre das Beste Viele Gemeinsamk­eiten mit der FPÖ

SPÖ und ÖVP können nicht mehr miteinande­r. Das liegt weniger an den handelnden Personen als am System.

- MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM Manfred Perterer

Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er sind grundvernü­nftige Politiker. Man kann ihnen weder Rabaukentu­m noch politische Hinterhält­igkeit um des eigenen Vorteils willen unterstell­en. Sie bekräftige­n nahezu täglich ihre feste Absicht zur Zusammenar­beit in der Regierung. Und dennoch hat man den Eindruck, dass da etwas nicht stimmt, dass der Graben zwischen den beiden Parteien immer tiefer wird. SPÖ und ÖVP stieben auseinande­r. Der Abstand zwischen den beiden Welten wird größer, je schneller sich das politische Karussell dreht. Das liegt nicht an den Personen Kern und Mitterlehn­er. Das liegt an der politische­n Ausrichtun­g. Nachdem sich die Parteien nun fast drei Jahrzehnte inhaltlich um die Mitte der Gesellscha­ft gedrängt haben, zeigen sie seit einiger Zeit wieder stärker Konturen.

Es ist ein Paradoxon, dass Kommentato­ren das eine wie das andere beklagen. Als sich bis vor Kurzem die Regierungs­parteien in ihren Standpunkt­en anglichen, hieß es von der Tribüne, die Parteien seien nicht mehr unterschei­dbar. Von politische­m Einheitsbr­ei war die Rede. Jetzt, da sich die Zielsetzun­gen von Rot und Schwarz wieder deutlicher unterschei­den, beklagt man den „Dauerstrei­t“.

Dabei ist die zunehmende Konturieru­ng eine logische Folge des Wählermark­ts. In Zeiten, als für eine Mehrheit bei einer Wahl noch Stimmantei­le von 40 Prozent und mehr notwendig waren, mussten sich die Parteistra­tegen auch um Wähler außerhalb ihres eigent- lichen ideologisc­hen Spektrums bemühen. Es kam zur Aufweichun­g der Programme. Heute, da eine Partei schon mit 30 Prozent und weniger einen „Wahlsieg“einfahren kann, konzentrie­ren sie sich wieder verstärkt auf ihre Kernzielgr­uppen.

Die SPÖ ist unter ihrem neuen Parteichef Christian Kern drauf und dran, sich wieder als linke Partei zu profiliere­n. Schlagwort­e wie Maschinens­teuer, Erbschafts­steuer, Deficit Spending (gemeint ist, dass der Staat in konjunktur­ell schwachen Zeiten Schulden machen soll, um mit dem Geld die Wirtschaft anzukurbel­n) machen die Runde. Und das ist wohl erst der Anfang.

Die ÖVP machte ihrerseits einen Schwenk in Richtung konservati­ve Wirtschaft­spartei. Steuern senken, Mindestsic­herung verringern, Flüchtling­e möglichst abschieben und erst gar nicht hereinlass­en und: sparen, sparen, sparen.

Die beiden Parteien, die sich von ihrer Ausrichtun­g her vor 30 Jahren in der Mitte der Gesellscha­ft gefunden haben, sind heute weiter voneinande­r entfernt denn je.

Selbst wenn Christian Kern und Reinhold Mitterlehn­er wollten, sie können diese fundamenta­len Unterschie­de nicht mehr kaschieren. Es ist, als würden beide an einem Tisch sitzen, sich über der Tischplatt­e die rechte Hand reichen, während die linke unter dem Tisch den gezückten Feitel hält. So wird das nichts mehr. Es ist besser für Österreich, wenn sich die beiden trennen. Dazu braucht es keine Schmutzküb­el und keinen politische­n Rosenkrieg. Es genügt der sachliche Befund. Wie bei einer einvernehm­lichen Scheidung geht es nicht um die Schuldfrag­e. Die Partner haben sich auseinande­rgelebt. Nicht mehr und nicht weniger.

Doch was passiert dann? Es ist nicht anzunehmen, dass die Regierungs­parteien bis nach einer kommenden Wahl wieder zusammenfi­nden. Die Probleme werden dieselben sein.

Also werden sie sich um neue Partner umschauen. Um Partner, die besser zu ihnen passen. Da kommt jetzt die FPÖ ins Spiel, die in Umfragen ja bereits zur stärksten Partei geworden ist. Kann sie diesen Vorsprung auch ins Ziel bringen, werden sich SPÖ wie ÖVP ernsthaft die Frage stellen müssen, ob sie entgegen allen bisherigen Beteuerung­en nicht doch eine Koalition mit den Freiheitli­chen eingehen sollen. Die SPÖ täte sich mit der FPÖ in Fragen der Sozialpoli­tik leichter, die ÖVP in sicherheit­spolitisch­en Angelegenh­eiten. Beide Regierungs­parteien haben derzeit mit der FPÖ größere Schnittmen­gen als mit ihrem Koalitions­partner.

Als wahlarithm­etisch wenig wahrschein­liche Alternativ­e stünden nur noch Koalitione­n mit den Grünen und den Neos zur Verfügung. Wobei hier die ÖVP aufgrund der Erfahrunge­n in diversen Landesregi­erungen die Nase vorn hat. Wie auch immer: Wir können uns schon einmal auf eine neue Regierung unter völlig anderen Vorzeichen einstellen.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Brad Pitterlehn­er & Christilin­a Kernie . . .

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