Wir wünschen Hals- und Beinbruch
Weltcupauftakt auf dem Gletscher: Der wurde vor 25 Jahren von Industrie und Touristikern erfunden, um Lust auf den Winter zu machen, wenn die meisten noch dem letzten Sommerurlaub nachtrauern. Die Bilder werden heuer passen: Die Bergspitzen präsentieren sich so verschneit wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Unten im Tal herrscht weniger Euphorie. Man hat den Eindruck, man sei hier bei einem Kriegsveteranentreffen und nicht bei einem Sportereignis gelandet. Es geht um gerissene Kreuzbänder, mit Titanstiften verschraubte Brustwirbel, gesprengte Schienbeinköpfe und die Frage, wie man mit einem Bandscheibenvorfall fahren kann. Viele Topstars kamen nur nach Sölden, um PR-Termine zu absolvieren – an Skifahren ist nach Verletzungen (noch) nicht zu denken. Die Gespräche drehen sich im Kreis: Operation. Reha. Operation. Schmerzen. Die Hoffnung ja nicht aufgeben.
Auch wer startet, ist deswegen nicht fit. Längst warnen Ärzte vor dem exzessiven Einsatz von Schmerzmitteln. Viele Athleten, die sich den Berg hinunterstürzen, machen dies in einem Zustand, in dem der Hausarzt jedem Normalverbraucher das Autofahren strikt verbieten würde. Das alles hält man im Ski-Weltcup heute für so normal wie die umgedrehte Startreihenfolge im zweiten Slalom-Durchgang oder den Einsatz von Schneekanonen. Änderungen? Nicht in Sicht. Oder doch: „Nächstes Jahr werden die Ski wieder fahrbar“, sagt Rainer Salzgeber, heute Rennsportchef bei Head und einer der hellsten und kritischsten Köpfe, die dieser Sport hervorgebracht hat. Es klingt wie ein Hoffnungsschimmer, doch es ist eine gefährliche Drohung: Auf Druck der Läufer und Trainer werden die Ski wieder stärker tailliert und „aggressiver“, wie man es im Skisport nennt. Die Läufer wollen halt mehr Action im Riesentorlauf.
Dabei wird schon der heute beginnende Ski-Weltcup nicht nur von tollen Athleten und findigen Serviceleuten geprägt, er wird längst von Chirurgen, Kniespezialisten und RehaKliniken mitentschieden.
In diesem Sinne wünschen wir: Hals- und Beinbruch!