Die Horror-Clowns reiten dem Erlkönig nach
Wenn auf der Straße die depperten Nachfolger vom Erlkönig daherkommen, hilft Auswendiglernen am allerwenigsten.
Lolinger hielt den Goethe nicht für den Hauptdarsteller des Kinofilms „Fack ju Göhte“. Sie wusste, dass er Balladen geschrieben hat. Das muss als Erfolg verbucht werden. Und von dem Goethe gibt’s nicht nur Balladen, sagt Lolinger. Genau, der hat auch Dramen geschrieben, sage ich und hoffe, dass da vielleicht gerade ein Loch in der Aufmerksamkeitsmauer aufgeht, ein Loch, durch das Wissen gestopft werden kann. Lolinger reagiert aber nicht, sondern schaut drein wie ein großes „Ja und?“. Na ja, Theaterstücke schrieb er auch, sage ich. Und ich lege die Hand offen auf den Tisch und sage: Eines heißt, wie das Gegenteil dieser offenen Hand. Schon während ich es sage, halt ich das für eine geniale Idee, eine didaktisch unübertreffliche Eselsbrücke. Lolinger ignoriert sie und sagt: Hör mal, ob ich’s eh schon kann. Ein paar Tage nachdem Bob Dylan den Nobelpreis bekommen hat, ist nämlich der Erlkönig am Küchentisch angekommen. Genauer gesagt: Im Deutschbuch der 2B steht er. Grafisch schön gestaltet. Das Auge lernt ja mit. Bist du nicht buchstabenwillig, taugen Bilder immer wieder gut als Verführer. Der Auftrag ist von alters her klar: auswendig lernen. Da kennt er nichts, der Bildungsauftrag. Manchmal aber gleicht er (und das schon in der zigten Generation) verdächtig einem Ablenkungsmanöver, festgeschrieben in traditionellen Lehrplänen, die den Anschluss an die Welt verpassen. Während Lolinger nun zwischen „Kron’ und Schweif“und „düstern Ort“dahinreimt, wird es draußen finster. Und dort draußen rennen offenbar Idioten herum, die sich „Horror-Clowns“nennen. Das ist neueste Mode beim Deppertsein. Da werden im harmlosen Fall wildfremde Menschen erschreckt von anderen, die sich gruselige Clownmasken aufgesetzt haben. Im schlimmsten Fall wird zugeschlagen oder -gestochen bei dieser Ausweitung der Krampuskampfzone, weil traditionell ist’s bei uns schon so, dass sich die Narrischen und die Besoffenen Krampusmasken aufsetzen, um andere einfach so und anonym verdreschen zu können. Ich wusste nichts von dem neuen Brauch, bis Lolinger mir eine Warnung in ihrem WhatsApp-Eingang zeigte. „,Horror-Clowns‘ auch in Salzburg unterwegs – geh erst gar nicht auf die Straße“, stand da. Was sie jetzt tun solle, fragt Lolinger und schaut geschreckt wie der Knabe, der sagt „Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an“. Übrigens: Es wird auch dieses Mal nicht gut ausgehen, wie es nie gut ausgeht mit diesem Goethe. Es wird die 2B im Versmaß mitreiten. Mitfiebern. Und am Ende grauset’s dem Vater und der Knabe wird tot sein.