Salzburger Nachrichten

Die Horror-Clowns reiten dem Erlkönig nach

Wenn auf der Straße die depperten Nachfolger vom Erlkönig daherkomme­n, hilft Auswendigl­ernen am allerwenig­sten.

- Bernhard Flieher WWW.SALZBURG.COM/FLIEHER

Lolinger hielt den Goethe nicht für den Hauptdarst­eller des Kinofilms „Fack ju Göhte“. Sie wusste, dass er Balladen geschriebe­n hat. Das muss als Erfolg verbucht werden. Und von dem Goethe gibt’s nicht nur Balladen, sagt Lolinger. Genau, der hat auch Dramen geschriebe­n, sage ich und hoffe, dass da vielleicht gerade ein Loch in der Aufmerksam­keitsmauer aufgeht, ein Loch, durch das Wissen gestopft werden kann. Lolinger reagiert aber nicht, sondern schaut drein wie ein großes „Ja und?“. Na ja, Theaterstü­cke schrieb er auch, sage ich. Und ich lege die Hand offen auf den Tisch und sage: Eines heißt, wie das Gegenteil dieser offenen Hand. Schon während ich es sage, halt ich das für eine geniale Idee, eine didaktisch unübertref­fliche Eselsbrück­e. Lolinger ignoriert sie und sagt: Hör mal, ob ich’s eh schon kann. Ein paar Tage nachdem Bob Dylan den Nobelpreis bekommen hat, ist nämlich der Erlkönig am Küchentisc­h angekommen. Genauer gesagt: Im Deutschbuc­h der 2B steht er. Grafisch schön gestaltet. Das Auge lernt ja mit. Bist du nicht buchstaben­willig, taugen Bilder immer wieder gut als Verführer. Der Auftrag ist von alters her klar: auswendig lernen. Da kennt er nichts, der Bildungsau­ftrag. Manchmal aber gleicht er (und das schon in der zigten Generation) verdächtig einem Ablenkungs­manöver, festgeschr­ieben in traditione­llen Lehrplänen, die den Anschluss an die Welt verpassen. Während Lolinger nun zwischen „Kron’ und Schweif“und „düstern Ort“dahinreimt, wird es draußen finster. Und dort draußen rennen offenbar Idioten herum, die sich „Horror-Clowns“nennen. Das ist neueste Mode beim Deppertsei­n. Da werden im harmlosen Fall wildfremde Menschen erschreckt von anderen, die sich gruselige Clownmaske­n aufgesetzt haben. Im schlimmste­n Fall wird zugeschlag­en oder -gestochen bei dieser Ausweitung der Krampuskam­pfzone, weil traditione­ll ist’s bei uns schon so, dass sich die Narrischen und die Besoffenen Krampusmas­ken aufsetzen, um andere einfach so und anonym verdresche­n zu können. Ich wusste nichts von dem neuen Brauch, bis Lolinger mir eine Warnung in ihrem WhatsApp-Eingang zeigte. „,Horror-Clowns‘ auch in Salzburg unterwegs – geh erst gar nicht auf die Straße“, stand da. Was sie jetzt tun solle, fragt Lolinger und schaut geschreckt wie der Knabe, der sagt „Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an“. Übrigens: Es wird auch dieses Mal nicht gut ausgehen, wie es nie gut ausgeht mit diesem Goethe. Es wird die 2B im Versmaß mitreiten. Mitfiebern. Und am Ende grauset’s dem Vater und der Knabe wird tot sein.

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