Salzburger Nachrichten

„EU ist beim Roaming inkonseque­nt“

Der langjährig­e Mobilfunkm­anager Michael Krammer kritisiert den Populismus der EU bei den Auslandsta­rifen. Zugleich tut er, was er am besten kann: Er gründet einen neuen virtuellen Mobilfunka­nbieter, diesmal ein Nischenpro­dukt.

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WIEN. Michael Krammer hat es schon wieder getan. Der frühere Chef von Orange und Telering bringt einen neuen Mobilfunka­nbieter auf den Markt. „Liwest Mobil“ist eine Kooperatio­n mit dem größten oberösterr­eichischen Kabelnetzb­etreiber Liwest und Krammers Firma Ventocom, die Technik und Abrechnung hinter der Mobilfunkm­arke HoT des Diskonters Hofer anbietet. Liwest Mobil gibt es in drei Tarifen ab monatlich 4,90 Euro (100 Minuten, 100 SMS, 1 GB Daten) bis zu 16,90 Euro (1000 Minuten, 1000 SMS, 6 GB). Reizvoll findet Krammer, erstmals in einem „konvergent­en Angebot“mit TV, Internet und Festnetz dabei zu sein. Zwar könne man das Angebot bundesweit nutzen, aber in erster Linie richte es sich an die 200.000 Liwest-Kunden in Oberösterr­eich.

Über das nötige Know-how verfügt Krammer allemal. Als Ex-Chef der Anbieter Orange und Telering gilt er als Urgestein der Branche und als einer, der die Großen mit Kampfpreis­en („Weg mit dem Speck“) das Fürchten lehren kann. Das zeigt auch der Erfolg von HoT. Die Hofer-Marke ist der mit Abstand erfolgreic­hste virtuelle Mobilfunkb­etreiber (MVNO für Mobile Virtual Network Operator). Auf diesen Anbieter entfallen mehr als 600.000 Anschlüsse, ein Marktantei­l von gut vier Prozent.

Potenzial für Wachstum im Mobilfunkb­ereich sieht Krammer nur noch bei virtuellen Anbietern. Denn der Markt für „hauptberuf­liche“Mobilfunka­nbieter ist mit den großen Netzbetrei­bern A1, T-Mobile und „3“samt Billigtöch­tern wie Bob, Yesss! oder Ge-org dicht besetzt. Und die großen Anbieter müssten bis zu einem Fünftel ihrer Umsätze in die Markenpfle­ge stecken, um im Rennen zu bleiben.

Das fällt bei „virtuellen“Anbietern wie Red Bull Mobile, Media Markt Mobile oder Allianz SIM weg. Sie verfügen bereits über eine starke Marke und einen intakten Vertriebsa­pparat. Auf diesem Markt werde sich noch einiges tun, ist Krammer überzeugt. Dafür sorge schon das „Grundrausc­hen“von mindestens einer Million heimischer Handynutze­r, die jedes Jahr Tarif oder Anbieter wechseln. „Das ist ein permanente­r Verteilung­skampf“, sagt Krammer, der nebenbei auch Präsident des FußballClu­bs Rapid ist.

Die EU-Initiative zum Wegfall der Roaminggeb­ühren findet Krammer „populistis­ch“. Das sei „eine Umverteilu­ng in die falsche Richtung: Diejenigen, die es sich leisten können und oft im Ausland telefonier­en, werden durch jene finanziert, die nie ins Ausland fahren und trotzdem höhere Preise zahlen müssen.“Die EU sei inkonseque­nt: Mit dem Eingriff in die Preisgesta­ltung tue man einerseits so, als gäbe es einen Binnenmark­t. „Anderersei­ts ist es aber keiner, es gibt unterschie­dliche Bedingunge­n beim Versteiger­n von Mobilfunkf­requenzen und keine Abstimmung nationaler Frequenznu­tzungsplän­e.“Und Betreiber müssten sich untereinan­der hohe Tarife verrechnen.

Krammer hält die Diskussion für überzogen. Bei Roamingtar­ifen von fünf Cent/Minute erspare man sich im Urlaub den Gegenwert eines Glases Wein. Entweder lasse man die Gebühren, wie sie sind. Wolle man aber einen Binnenmark­t, müssten auch die Großhandel­spreise auf nationale Niveaus sinken.

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BILD: SN/LTK TELEKOM UND SERVICE GMBH Michael Krammer
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