Salzburger Nachrichten

Zaha Hadid oder Sozialwohn­ung?

Auch in Mailand herrscht Wohnungsma­ngel. Teuren Exklusivba­uten von Stararchit­ekten steht dort eine relativ kleine Zahl von geförderte­n Wohnungen gegenüber, die nur für Notfälle gedacht sind. Das Fehlen einer sozialen Durchmisch­ung führt zu Problemen.

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Keine Frage: Mailand, das ist ein Synonym für italienisc­he Lebensart, Zentrum für Mode und Design, wirtschaft­liche Hauptstadt in Italien. Doch die Millionenm­etropole hat auch die gleichen Probleme wie andere europäisch­e Städte: Es fehlt an finanzierb­arem Wohnraum. Die zentrale Frage ist: finanzierb­ar für wen? Denn unübersehb­ar ragen inzwischen zwei der drei geplanten Hochhäuser mit über 200 Metern Höhe aus der Innenstadt in den Mailänder Himmel. Unmittelba­r daneben gibt es attraktive­n Wohnraum, entworfen von Architekte­nstars wie Zaha Hadid oder Daniel Libeskind. „Citylife“nennt sich das Projekt, in dem für einen Quadratmet­er Wohnfläche mehr als 10.000 Euro hingeblätt­ert werden müssen. Doch selbst in diesem „Reichenghe­tto“ist die Welt nicht gänzlich in Ordnung. Viele Wohnungen stehen leer, anscheinen­d sind die Preise selbst für die Wohlhabend­en zu hoch. Am anderen Ende der Palette entstehen andere Ghettos: jene der Sozialbedü­rftigen. „Eine gemeinnütz­ige Wohnungswi­rtschaft wie in Österreich gibt es in Italien nicht“, erklärt Markus Sturm, Obmann des Vereins für Wohnbauför­derung (vwbf) und Vorstand der Genossensc­haft „Die Salzburg“, anlässlich einer Studienrei­se nach Mailand: „In Italien fehlen gegenwärti­g 2,5 Millionen Wohnungen.“

Im Vergleich mit Österreich zeigt sich eine völlig andere Situation auf dem Wohnungsma­rkt. Während in Italien nur vier Prozent des Bestands auf gemeinnütz­ige bzw. kommunale Wohnbauten entfallen, sind es in Österreich 20 Prozent. „Klassische“ Obmann vwbf Mietwohnun­gen gibt es in Italien 24 Prozent, in Österreich 22 Prozent. Der wesentlich­ste Unterschie­d besteht aber beim Eigentum: Da liegt die Quote in Italien bei 72 Prozent, in Österreich nur bei 58 Prozent.

„Italien hatte nach dem Krieg schon ein ähnliches System wie Österreich“, erklärt Sturm, heute spiele es aber eine untergeord­nete Rolle. Für finanziell benachteil­igte Menschen wurden von der Stadtverwa­ltung nun fünf Brennpunkt­e lokalisier­t, wo man vor allem mit baulichen Maßnahmen helfen will, wie Franco Zinna, der Direktor der Stadtplanu­ng, erklärt. Insgesamt 235 Mill. Euro will man hier investiere­n, auch in Infrastruk­tur. „Ziel ist die Aufwertung der Quartiere, das ist gut für die ganze Stadt.“Er kämpft vor allem damit, dass viele Mieter ihre Sozialwohn­ungen vernachläs­sigen, was zu Problemen führt. Hier wünsche man sich eine bessere soziale Durchmisch­ung.

Doch das wird schwer, weil für eine Zuweisung in eine Sozialwohn­ung sehr niedrige Einkommens­grenzen gelten. Liegt das Haushaltse­inkommen höher, reicht aber dennoch nicht für den freien Markt, dann bieten sich Eigentumsm­odelle auf Baurechtsg­ründen an. Architekti­n Giordana Ferri ist Direktorin einer solchen Stiftung, die sich um erschwingl­ichen Wohnraum bemüht. Das Modell der Stiftung Cariplo sieht einerseits vor, Investoren ins Boot zu holen, die hier ihr Geld einsetzen und auf drei Prozent Rendite hoffen dürfen. Die Stiftung sucht Baugründe, etwa von der Stadtgemei­nde, die auf 90 Jahre ein Baurecht einräumt. Darauf werden Wohnungen gebaut, die entweder als Miet- oder Mietkaufva­riante genutzt werden können. „Die Mieten liegen etwa 30 Prozent unter dem Niveau des freien Markts“, erklärt Ferri. Die Obmann GBV Mieter verwalten die Wohnanlage selbst – abgesehen von der kaufmännis­chen Verrechnun­g –, bringen also ihr persönlich­es Engagement ein. Modellhaft ist etwa die Wohnanlage Via Cenni, nahe dem Fußballsta­dion San Siro. Die mehrstöcki­ge Anlage ist ein reiner Holzbau und besteht aus mehreren Baukörpern. Wer an einem Kauf der Wohnung interessie­rt ist, muss bereits beim Einzug zehn Prozent der Kaufsumme hinterlege­n und kann nach sieben Jahren die Wohnung kaufen. Ein Teil der Miete wird zusätzlich auf den Kaufpreis angerechne­t. Allerdings: Kann sich der Mieter nach sieben Jahren die Wohnung doch nicht leisten, ist auch die Anzahlung weg.

Für Sturm ist das System wie in Mailand jedenfalls kein Vorbild: „Hier gibt es für Bedürftige städtische Wohnungen nur in Notfällen und nur vorübergeh­end, das ist ein wesentlich­er Unterschie­d zu Österreich.“Das „Fondsmodel­l“findet er interessan­t, vor allem weil man auch hierzuland­e ständig auf der Suche nach neuen Ideen und Finanzieru­ngsmodelle­n ist. Richtig findet Sturm, dass bei Umwidmunge­n mit mehr als 15.000 Quadratmet­ern die Hälfte für sozialen Wohnbau zur Verfügung gestellt werden muss. Ähnliche Modelle gebe es zwar auch in Innsbruck oder Salzburg, doch hier fehle nach wie vor die verfassung­srechtlich­e Absicherun­g, ergänzt Karl Wurm, Obmann der GBV (Österreich­ischer Verband gemeinnütz­iger Bauvereini­gungen): „Das steht bei uns im Regierungs­programm und sollte schleunigs­t umgesetzt werden, damit mehr Baulandmob­ilisierung möglich ist.“Um sozialen Wohnbau günstig zu halten, müsse bei den Grundstück­spreisen etwas getan werden, fordert der oberste Gemeinnütz­ige. Dazu zählen auch die Errichtung­skosten, die in Österreich durch ein „Normenunwe­sen“geprägt seien. Deshalb könne man auch nicht zu Preisen wie in Mailand bauen. Wurm: „Hier kann man sparen, ohne dass es an die Qualität geht.“Er nennt als Beispiel den Einbau von Kunststoff­fenstern in sozialen Wohnbauten oder auch die „übertriebe­ne“Schalldämm­ung. „Wir haben da jetzt Normen zu erfüllen, die früher nur für Tonstudios galten.“

Markus Sturm, Wir brauchen mehr Baulandmob­ilisierung. Karl Wurm, Die vielen neuen Normen verteuern das Wohnen.

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BILD: SN/BERNHARD SCHREGLMAN­N Vorzeigepr­ojekt Via Cenni in Mailand: In dem reinen Holzbau gibt es ungewöhnli­che Mietkaufmo­delle.
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