Für Salzburg gekämmt und gespachtelt
Da fläzt sich ein leuchtendes Rot über ein mattes Schwarz. Wo ist das Bild?
Der obere Rand ist verräterisch. Er macht deutlich: Da fläzt sich ein fettes, sattes, fast schmatzendes Rot über etwas drüber. Auf riesiger Fläche macht es sich breit. Es ist so dick aufgespachtelt, dass es Rillen schlägt. So liegt, nein!, so steht dieses starke Rot auf jener schwarz-matten Bildfläche, die an der Oberkante hervorlugt.
Was ergibt das eigentliche Bild? Das rot Leuchtende? Oder das, was diese fette, dichte Farbe überlagert? Aber wenn da zwei Schichten sind, und wenn das Rot in den Raum greift, ist das ein Bild? Oder stehen wir vor einer flachen Skulptur? Ist es Malerei? Denn es entstand ohne Pinsel, sondern ist gespachtelt und, wie der Künstler Jakob Gasteiger schildert, gekämmt – mit einem aus Karton dafür zugeschnittenen Kamm. Farbe werde mit so einem Kamm zugleich genommen und gegeben, denn der Kamm bestehe aus Zinken und Löchern, erzeuge also Anwesenheit wie Abwesenheit.
Dieses Grenzgebilde zwischen Gemälde und Skulptur, zwischen schwarz grundiertem Rot und übermaltem Schwarz, zwischen Farbe und geformtem Material hat Jakob Gasteiger für Salzburg hergestellt. Denn hier zeigt das Salzburg Museum ab heute, Freitag, Beispiele von Jakob Gasteigers bisherigem Schaffen – von kleinen, wie in Ölfarbe getränkten Kartons aus 1985 bis zu diesem Acrylbild aus 2016. Diese Retrospektive endet mit dem, was der Zufall hergibt: Dafür werden rund 500 Kilogramm hocherhitztes Aluminium in kaltes Wasser gegossen – ähnlich wie beim Bleigießen. Beim plötzlichen Erkalten rottet sich gut die Hälfte des Metalls zu einem jeweils anderen Gebilde zusammen. Diese Skulpturen – im Museum auf simple Holzpodeste gehievt – wirken wie silbrige Wolken oder metallene Lava. Warum ist das Kunst, wenn deren Form der Zufall gebiert? Weil er, der Künstler, die Idee, die Prozedur und somit den Rahmen exakt vorgebe, erläutert Jakob Gasteiger.
Man kann sich von seinen Bildern zum Fragen nach Farbe, Material, Bild, Raum oder Autorenschaft anregen lassen und im Suchen nach den Rändern solcher Begriffe deren Wesenskern aufspüren. Man kann aber auch bloß schauen, wie da ein Grau-Blau-Beige über eine Scheibe wogt, wie dickes Schwarz einen runden Schwung über ein Viereck zieht oder wie vor, hinter und zwischen schwarzen Flecken und Kanten ein Blau blitzt.
Zeitgleich zeigt das Bildungshaus St. Virgil kleinformatige Papierarbeiten Jakob Gasteigers. Die zu betrachten, führe „in eine Haltung des Verweilens und Meditierens“, erläutert die Kuratorin in St. Virgil, Antonia Gobiet. Ausstellungen: Künstlergespräch: