Salzburger Nachrichten

Davos – ein Forum für eine erschütter­te Welt

Das Weltwirtsc­haftsforum steht im Bann der fragilen Lage der Weltpoliti­k. Die hat die Weltwirtsc­haft derzeit stärker im Griff, als gut ist.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

Davos im Jänner 2009. Als die globale Elite aus Wirtschaft, Politik und der Zivilgesel­lschaft vor acht Jahren im Schweizer Luftkurort zum Weltwirtsc­haftsforum zusammenka­m, stand das Treffen im Bann der Finanzkris­e, die die Weltwirtsc­haft seit Herbst 2008 im Griff hatte. In den USA war wenige Tage davor der 44. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika angelobt worden. Barack Obama stand vor keiner geringeren Aufgabe, als den Kollaps des weltweiten Finanzsyst­ems zu verhindern. Und trotz aller Ängste überwog die Hoffnung, dass man die Probleme in einer globalen, gemeinsame­n Kraftanstr­engung bewältigen und eine große Depression verhindern kann.

Davos im Jänner 2017. Die Folgen der Finanzkris­e sind keineswegs völlig überwunden, die Konjunktur erholt sich nur zäh, und die Folgen der aggressive­n Geldpoliti­k der Notenbanke­n sind überall spürbar. Dennoch ist die Weltwirtsc­haft in einer deutlich besseren Verfassung. Und wieder gibt es einen Wechsel im Weißen Haus, Donald Trump wird kommenden Freitag in sein Amt eingeführt. Aber von einer Aufbruchss­timmung ist weit und breit nichts zu spüren – weder in den USA noch anderswo in der Welt.

Die Herausford­erungen haben sich seither völlig verschoben – aber sie sind nicht geringer geworden. Die Arbeitslos­igkeit hat bedenklich hohe Niveaus erreicht, sie birgt in vielen Ländern hohe Sprengkraf­t für den sozialen Zusammenha­lt. Ähnliches gilt für die Migration, die vor allem Europa vor große Probleme stellt. Dazu kommen die „Dauerbrenn­er“soziale Ungleichhe­it, die Folgen von Globalisie­rung und Digitalisi­erung sowie die Risiken des Klimawande­ls.

Den Teilnehmer­n des Weltwirtsc­haftsforum­s fehlt es nicht an Stoff für Diskussion­en, aber sie finden in einem völlig anderen Klima und politische­n Umfeld statt als seinerzeit beim Kampf gegen die Finanzkris­e. Nicht mehr das Gemeinsame steht im Vordergrun­d, sondern der Egoismus. Länder ziehen sich auf ihre Grenzen zurück, statt miteinande­r zu kooperiere­n. Der Nationalis­mus gewinnt zunehmend Oberhand gegenüber internatio­nalen Lösungsans­ätzen.

Die Wahl von Donald Trump ist ein Symptom für diese Entwicklun­g, ebenso wie der Ausgang der Abstimmung in Großbritan­nien über den Brexit. Die fragile Lage der Weltpoliti­k bestimmt aktuell die Einschätzu­ng der Aussichten für die Weltwirtsc­haft. Die Sorgen sind verständli­ch, aber Untergangs­szenarien sind keine Lösung für die drängenden Probleme der Welt. Wohlstand für alle ist erreichbar, aber nur dann, wenn auch alle daran arbeiten – miteinande­r.

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