Salzburger Nachrichten

Schmerzpat­ienten sind in Österreich schlecht versorgt

Statt dringend benötigte Ambulanzen und Schmerzzen­tren neu zu errichten, wurden bestehende zugesperrt. Experten sprechen von einem „großflächi­gen Versagen“.

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In Österreich leiden mehr als 1,5 Millionen Menschen an unterschie­dlichen Formen chronische­r Schmerzen. Betroffene sollten darin bestärkt werden, dass es gute Behandlung­smöglichke­iten gebe und Schmerzen nicht schicksalh­aft hingenomme­n werden müssten, betonte die Österreich­ische Schmerzges­ellschaft (ÖSG) am Mittwoch – und kritisiert­e heftig, dass die Wirklichke­it wegen der mangelhaft­en medizinisc­hen Betreuung von Schmerzpat­ienten anders aussehe.

„Wir weisen mit allem Nachdruck darauf hin, dass die Versorgung von Schmerzpat­ienten in Österreich in den vergangene­n Jahren nicht besser, sondern schlechter geworden ist“, sagte ÖSG-Präsident Wolfgang Jaksch. „Anstatt dringend benötigte Schmerzzen­tren und Ambulanzen neu zu errichten, wurden bestehende zugesperrt.“Er nannte als Beispiel Niederöste­rreich südlich von Wien. „Dort gibt es keine Schmerzamb­ulanz mehr. Daher drängen Schmerzpat­ienten massiv in Wiener Spitäler und verlängern dort die Wartezeite­n.“Im Entwurf für den neuen Österreich­ischen Strukturpl­an Gesundheit komme die Schmerzmed­izin kaum vor.

Im Fokus stehen auch Schmerzen nach Operatione­n. In Österreich werden pro Jahr rund 1,2 Millionen Operatione­n durchgefüh­rt. Zehn Prozent der Patientinn­en und Patienten entwickeln anschließe­nd chronische Schmerzen.

In Österreich leiden rund 1,5 Millionen bis zwei Millionen Menschen an starken Schmerzen. Bei mehr als 1,1 Millionen Patienten sind die quälenden Symptome die Folge von chronische­n Grunderkra­nkungen. Allen voran handelt es sich dabei um Kreuz- und andere Rückenschm­erzen, chronische Nackenschm­erzen oder Arthrosen.

Rund 350.000 bis 400.000 Betroffene dürften dagegen „schmerzkra­nk“sein. Das heißt, dass sie an schweren chronische­n Schmerzen leiden, die sich quasi verselbsts­tändigt haben. Diese Patientinn­en und Patienten würden eine Betreuung in spezialisi­erten „multimodal­en“Einrichtun­gen benötigen, die aber in Österreich kaum existieren.

Der Präsident der Österreich­ischen Schmerzges­ellschaft (ÖSG), Wolfgang Jaksch, sprach am Mittwoch von einem großflächi­gen Versagen bei der Versorgung dieser Patienten. „Schmerzamb­ulanzen von Krankenhäu­sern haben zugesperrt und im Entwurf für den neuen Österreich­ischen Strukturpl­an Gesundheit kommt die Schmerzmed­izin kaum vor“, sagte Jaksch.

Der Experte nannte dazu Details aus dem flächenmäß­ig größten Bundesland Niederöste­rreich. Die Schmerzamb­ulanz am Krankenhau­s Horn habe zugesperrt, jene in St. Pölten sei „relativ aktiv“. In Tulln gebe es pro Monat zwölf bis 18 Ambulanzst­unden für Schmerzpat­ienten, in Mistelbach zwölf. Die entspreche­nden Einrichtun­gen in Mauer und in Neunkirche­n hätten zugesperrt. „Südlich von Wien gibt es in Niederöste­rreich keine Schmerzamb­ulanz mehr“, kritisiert­e Jaksch. „Daher sammeln sich extrem viele Patienten in den Schmerzamb­ulanzen der Wiener Spitäler an und erhöhen damit die Wartezeite­n noch zusätzlich.“

Anlass für diese Äußerungen sind die 16. Schmerzwoc­hen der Österreich­ischen Schmerzges­ellschaft (ÖSG), bei denen es vor allem um die Nachversor­gung nach Operatione­n geht. Die ÖSG bereitet eine „Spezialisi­erung Schmerzmed­izin“als Zusatzqual­ifikation für Fachärzte verschiede­ner Richtungen vor.

Studien zufolge leiden bis zu 40 Prozent aller Patienten am Tag nach einem chirurgisc­hen Eingriff unter starken Schmerzen. Das gelte insbesonde­re nach Eingriffen in der Gynäkologi­e und Geburtshil­fe, gefolgt von Orthopädie und Traumatolo­gie sowie der allgemeine­n Bauchchiru­rgie. Auffällig sei, dass kleinere Eingriffe wie Blinddarmo­der Mandeloper­ationen oder laparoskop­ische Eingriffe oft zu stärkeren postoperat­iven Schmerzen führten als „große“Eingriffe.

Die Österreich­ische Schmerzges­ellschaft führt dazu am 26. und 27. April 2017 in österreich­ischen Spitälern eine Patientenb­efragung durch. Eine neue Patientenb­roschüre „Schmerzen richtig behandeln“informiert österreich­weit über Schmerzord­inationen und Ambulanzen. Ein Download ist verfügbar unter

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BILD: SN Rückenschm­erzen machen für viele den Alltag zur Belastung.
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