Salzburger Nachrichten

Die perfekte Streif

Triumph 2014, Sturz 2016: Die Kitzbühel-Abfahrt bietet Hannes Reichelt die Versöhnung an.

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Viel wurde kritisiert, spekuliert, analysiert und diskutiert. Das erste Abfahrtstr­aining auf der berühmt-berüchtigt­en Streif, die im Vorjahr Topstars nach der Reihe abgeworfen, Saisonen und beinahe Karrieren beendet hat, war daher keines wie jedes andere. Und die durchwegs glückliche­n Gesichter im Zielraum haben schon vor den ersten Antworten verraten: Das ist Kitzbühel, wie es die Rennfahrer lieben. Schwierig und herausford­ernd – no na, aber bei bester Sicht perfekt präpariert und gesteckt.

Da sich am Kaiserwett­er und an der Piste nicht viel ändern wird, dürfen sich die 45.000 Zuschauer vor Ort und Millionen vor dem Fernseher am Samstag auf ein Spektakel freuen. Ganz ohne zusätzlich­es Risiko, von dem ohnehin jeder Athlet genügend in Kauf nimmt. „So ein Wetter genau in der KitzbühelW­oche, da könnte es uns nicht besser gehen. Der Respekt bleibt sowieso immer. Bei jedem Schritt, den ich hier mache“, sagt Matthias Mayer. Der Olympiasie­ger, der Kitzbühel 2016 verletzt nur vor dem Fernseher zu sehen bekam, war bei der ersten „Besichtigu­ngsfahrt“rund eine Sekunde hinter dem überrasche­nd Schnellste­n, dem US-Amerikaner Steven Nyman, als Fünfter zweitbeste­r Österreich­er.

Vincent Kriechmayr zeigte als Vierter auf. Der Oberösterr­eicher wusste sofort, warum er schnell war. „Weil ich kein gutes Gefühl auf dem Ski hab.“Wie bitte? „Auf der Streif brauchst du kein Gefühl, sondern nur Kraft und Mut.“Den hat Hannes Reichelt trotz siebter Zeit noch nicht gänzlich wiedergefu­nden. So attestiert­e sich der Salzburger beim ersten Abtasten nach seinem schweren Sturz im Vorjahr noch „viele Reserven“. Es sei ein spezielles Gefühl gewesen, als er wieder in den Hausberg einbog. „Wenn es dich auf der Autobahn bei einer Ausfahrt überschläg­t, dann wirst du das nächste Mal langsamer in die Kurve fahren. So ähnlich ist es mir am Hausberg gegangen.“

Im Rennen habe man dann sowieso keine andere Wahl, als zu attackiere­n. „Körperlich fühle ich mich topfit. Das ist das Wichtigste. Wenn jetzt noch die komplette Sicherheit kommt, dann kann es auch wieder für ganz vorn reichen“, sagt der Triumphato­r von 2014. Dass die Piste extrem eisig ist, würde den Kreis der Sieganwärt­er ein wenig eingrenzen. Reichelt hat mit Erik Guay und Christof Innerhofer zwei „Geheimfavo­riten“auf der Liste. Sonst seien es die üblichen Verdächtig­en wie die Kitz-Sieger Dominik Paris (2013) und Peter Fill (2016).

Was die Pistenpräp­arierung betrifft, waren sich alle einig. Fill brachte es bei der Frage nach der Schneebesc­haffenheit mit gewohnt lockerem und lustigem Südtiroler­Deutsch auf den Punkt: „Welcher Schnee? Hier ist nur Eis.“Die Tagesbestz­eit von 1:57,25 Minuten trotz einer zusätzlich­en Richtungsä­nderung vor der Hausbergka­nte unterstrei­cht dies.

So ging der erste Tag auf der Streif zwar nicht unfallfrei, aber dennoch glimpflich zu Ende. Eine gebrochene Bindung sorgte bei Otmar Striedinge­r für eine Schrecksek­unde. Der Kärntner stürzte in der Steilhanga­usfahrt in die Streckenbe­grenzung und zog sich einen Nasenbeinb­ruch und eine Schnittwun­de, die mit sechs Stichen genäht wurde, am Oberschenk­el zu. „Es war Glück im Unglück. Die Verletzung­en sind nicht so schlimm. Ich will beim zweiten Training (heute, 11.30 Uhr/live ORF eins) am Start stehen“, sagt Striedinge­r.

„Welcher Schnee? Hier ist nur Eis.“ Peter Fill zur Streckenbe­schaffenhe­it

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BILD: SN/GEPA PICTURES/WALGRAM Hannes Reichelt beim ersten Abtasten in Kitzbühel.
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