Salzburger Nachrichten

Es braucht nicht immer einen Superlativ

Neue Töne in Kitzbühel: Statt Sensations­gier und Promi-Auflauf rückt der Sport wieder mehr in den Mittelpunk­t. Gut so.

- Michael Smejkal MICHAEL.SMEJKAL@SALZBURG.COM

Es waren ungewöhnli­ch leise Töne, die seit Beginn der Woche unter dem Kitzbühele­r Hahnenkamm zu hören waren. Keine Erzählunge­n von der brutalsten Streif aller Zeiten, die heuer wieder auf ihre Opfer wartet, keine Aufzählung der wildesten Stürze der letzten zehn Jahre. Stattdesse­n das halblaute Eingeständ­nis, dass es fast ein Wunder sei, dass es hier noch keinen Toten gegeben habe. Nun ja, bei den Stürzen von Dani Albrecht und Hans Grugger war man in den letzten Jahren ohnedies nah am Abgrund, muss man anfügen.

Stattdesse­n scheint sich auch in Kitzbühel die Einsicht durchzuset­zen, dass es nicht jährlich einen neuen Superlativ braucht. Denn die Streif an sich ist ja schon ein Superlativ. Vielleicht kann man deshalb diese Weisheit hier gelassener ausspreche­n als andernorts. Es ist dennoch eine grundlegen­de Abkehr vom bisherigen Geschäftsm­odell Kitzbühel, das jahrelang genau aus diesem Zusammensp­iel zwischen Nervenkitz­el, Show und modernem Gladiatore­ntum bestanden hat. Aber im 50. Jahr des Weltcups kann man auch einmal hinterfrag­en, ob das Geschäftsm­odell noch ganz zeitgemäß ist.

Wenngleich dieses nach wie hervorrage­nd funktionie­rt, wie Kartenvorv­erkauf und Medieninte­resse aktuell zeigen: Seit der Sturzorgie des Vorjahres wird jedes Training live übertragen. Wenn wirklich alle, die sich im Vorjahr über dieses Spektakel moralisch entrüstet haben, einen Bogen um das Medienerei­gnis Kitzbühel machen, wird es dieses nicht mehr lang geben. Aber das Gegenteil ist halt der Fall, wie über 200.000 TV-Zuseher allein am Montagvorm­ittag beim Europacup von der Streif gezeigt haben.

Der jährliche Superlativ, der wird heuer vermutlich auch auf den VIP-Tribünen fehlen. Weil der automobile Hauptspons­or in den eigenen Reihen mit Sparpakete­n und Milliarden­zahlungen nach Dieselgate zu tun hat, wurde die große Party mit 2500 Gästen und Hollywoods­tars gestrichen. Das ist kein Rückschrit­t, das zeugt in dem Moment von feinem Gespür. Einfacher oder langweilig­er wird es deswegen noch lang nicht. Denn auf der anspruchsv­ollsten Abfahrt der Welt hat man mit viel Wasser den letzten Rest Naturschne­e aus der Strecke gepresst.

So wird Kitzbühel wieder mehr, was es einst war: Ein großartige­s Sportereig­nis, vermutlich das Bedeutends­te, das es im Winterspor­t gibt. Aber halt ein Sportereig­nis und kein Laufsteg für Models und kein Leistungsn­achweis für Notärzte.

Wenn das gelingt, wird Kitzbühel 2017 ein Erfolg.

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