Mit Donald Trump wird sich die Weltpolitik verändern
Der neue US-Präsident wird heute in Washington angelobt. Kritiker und Anhänger pilgern zu Hunderttausenden in die amerikanische Hauptstadt.
In Washington ist alles für die Angelobung Donald Trumps zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten vorbereitet. Um 18 Uhr mitteleuropäischer Zeit wird er die Eidesformel sprechen. Gleichzeitig steigt in Europa die Unruhe vor den Auswirkungen dieser Präsidentschaft. Der als internationaler Berater tätige frühere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer entwirft in einem Gastkommentar für die SN ein ernüchterndes Bild der beginnenden Ära Trump. „Es ist zu befürchten, dass die USA von einer Macht, die einst Stabilität und Werte verteidigte, zu einem erratischen Faktor der Weltpolitik verkommen“, schreibt er. Und weiter: „Schon wegen ihrer schieren Größe können die USA so zur größten Unsicherheitsquelle der Welt werden.“
Die USA sind nach der Wahl von Trump gespalten. Und so wird bei der Angelobung Trumps nicht nur gefeiert, sondern auch demonstriert. Besonders wenig Zustimmung hat Trump in der Hauptstadt Washington, wo er nun residieren wird. Dort entfielen bei der Präsidentenwahl lediglich 4,1 Prozent der Stimmen auf den Milliardär. Washington DC ist aber nur ein Teil der USA. Zehntausende Anhänger aus Trumps Hochburgen werden in Washington erwartet.
Angelobung Donald Trumps als 45. US-Präsident ab 12 Uhr als Liveblog auf WWW.SALZBURG.COM
Vere Plummer (67) überlegt. Nach einigen Minuten gibt der schwarze Rechtsanwalt auf. „Mir fällt niemand ein“, antwortet der Washingtonian auf die Frage, ob er persönlich jemanden kenne, der bei der Präsidentschaftswahl für Donald Trump gestimmt habe. Niemanden? Plummer nickt.
Die Frau neben ihm am Tisch der Nachbarschafts-Institution Busboys & Poets an der hippen 14. Straße kommt zu demselben Ergebnis. „Das ist eine tolerante Stadt. Hier hat jemand, der rassistische Sprüche macht, keine Chance.“
Das ist keine Übertreibung. Im District of Columbia holte Trump bei der Präsidentschaftswahl genau 12.723 Stimmen oder 4,1 Prozent. „Er wirkt hier wie ein Fremdkörper“, findet Plummer, der fürchtet, der neue Nachbar an 1600 Pennsylvania Avenue werde drastische Änderungen für Washington und die Nation bringen.
Während das mehrheitlich schwarze DC 2008 der Ankunft Obamas entgegenfieberte, liegt in den Tagen vor der Amtsübernahme Trumps eine bleischwere Stimmung über der sonst so quirligen Stadt. Ungewissheit, Resignation, Angst – den notorisch liberalen Washingtonians kommt die Ankunft Trumps wie ein Albtraum vor.
Mindestens 54 demokratische Kongressabgeordnete werden der Inauguration fernbleiben. Die Repräsentanten setzen ein Zeichen, das unterstreichen soll, für wie sonderbar sie diesen Machtwechsel halten. Sie folgen damit dem Beispiel der Bürgerrechtslegende John Lewis, der Trump wegen der russischen Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahl die Legitimität abgesprochen hatte. Trump, der mit historisch niedrigen Zustimmungswerten um die 40-Prozent-Marke ins Weiße Haus zieht, spürt den eisigen Wind, der ihm am Potomac entgegenweht. Sehr schnell gab er die Pläne auf, nach einer Siegesparade vom Trump Tower über die Fifth Avenue per Helikopter zur Vereidigung nach Washington zu schweben. Stattdessen hat sich der Reality-TV-Star für einen bescheidenen Rahmen entschieden. Während Obama 2008 die ganze Mall mit Zuschauern füllte, mit Ehefrau Michelle zehn Festbällen die Aufwartung machte und ein Who’s who der Unterhaltungswelt anzog, wollen Trump und First Lady Melania bei nicht mehr als drei Bällen auftauchen. Die Parade vom Kongress zum Weißen Haus wird auf 90 Minuten zusammengestaucht. Sein Inaugurationsteam fand nicht eine einzige Marschmusikkapelle aus Washington, die für ihn spielen wollte.
Doch der künftige Präsident hat seine Fans. Diese stammen nicht aus DC. Sie, die Trump den Wahlsieg beschert haben, kommen aus den Teilen der USA nach Washington gereist. Aus dem Süden und Mittleren Westen, den ländlichen Regionen und den alten Industriestädten des Rostgürtels. Die Polizei stellt sich auf 900.000 Menschen ein. Entsprechend scharf sind die Sicherheitsvorkehrungen. Insgesamt werden im Zentrum Washingtons 28.000 Beamte im Einsatz sein. Eine Herausforderung wird das auf jeden Fall, da 62 Genehmigungen für Demonstrationen vorliegen – fast alle Anti-Trump.
Als bester Ort in Washington, vor dem Eintreffen der Trump-Touristen einen Anhänger des künftigen Präsidenten zu finden, stellte sich die Benjamin Bar & Lounge heraus, in dem vom Trump für einen dreistelligen Millionenbetrag umgebauten alten Postgebäude. Der billigste Cocktail an der Bar kostet 24 Dollar, das Bier acht. „Das leisten wir uns“, sagt der Ladenbauer Josh (34), der sich mit Ehefrau Nancy (32) einen Abend ohne Kinder im Fünf-Sterne-Hotel gönnt. Für das Zimmer im achten Stock blätterte das Paar 460 Dollar hin. In nur acht Jahren baute Josh aus dem Nichts ein erfolgreiches Unternehmen auf, das heute zehn Angestellte beschäftigt. Obwohl sein Erfolg in die Obama-Zeit fällt, hat er für Trump gestimmt. „Der sagt, wie es ist“, erklärt er beim zweiten „John Willett“-Cocktail, was ihn an Trump beeindruckt. Neugierig erkundigt er sich nach „den ganzen illegalen Muslimen, die nach Deutschland gekommen sind“. Obwohl er nie da war, ist er sicher: „Das ist eine Katastrophe.“Was Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Tochter Ivanka wohl durch den Kopf geht, wenn sie aus ihrem neuen Heim am Tracy Place im vornehmen Diplomatenviertel Kalorama über ein Anwesen der russischen Botschaft auf das Minarett des Islamischen Zentrums schauen? Die imposante Moschee liegt einen Steinwurf weit entfernt von dem 5,5 Millionen-Haus, das Trumps Lieblingstochter demnächst mit ihrem Mann und ihren drei Kindern bewohnen wird.
Gleich um die Ecke in der Belmont Road leben von diesem Freitag an die Obamas, die von Bill Clintons ehemaligem Sprecher Joe Lockhard das charmante Anwesen mit neun Schlafzimmern, acht Bädern und Fitnessstudio im Keller gleich oberhalb des Rock Creek Parks angemietet haben.
Debbie Toulu (53) freut sich ganz besonders auf die Obamas. „Sie haben Hunde wie wir“, sagt die Nachbarin, die mit ihren beiden Pudeln an den Umzugswagen vor dem Haus der „First Family“vorbeispaziert. Ihre Vierbeiner könnten sich mit Bo und Sunny anfreunden. „Vielleicht machen wir eine Blockparty.“Dass die Kushners demnächst in Rufweite der Obamas wohnen, findet sie kurios. „Lasst uns hoffen, dass wir uns alle vertragen“, meint Debbie. „Hier in der Nachbarschaft und als Nation.“
Angelobung Donald Trumps als 45. US-Präsident ab 12 Uhr als Liveblog auf WWW.SALZBURG.COM
„Lasst uns hoffen, dass wir uns alle vertragen in der Nachbarschaft.“ Debbie Toulu, wohnt in Kalorama
„Die Obamas suchten ein Haus, das von anderen schwer einsehbar ist.“Makler Jim Bell, vor Obamas Haus