Die Kritik an Myanmars Heldin wächst
Jahrzehntelang kämpfte die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gegen die Militärdiktatur in ihrem Heimatland. Nun deckt sie selbst die Gräueltaten der Armee.
Im Westen von Myanmar leidet die muslimische Minderheit der Rohingyas seit Jahren unter Verfolgung und Repression – mittlerweile unter den Augen von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Als Staatsberaterin gilt die 71-Jährige de facto als Chefin der Regierung, die seit April des vergangenen Jahres amtiert. Die Krise im Westen des Landes ist ihre bisher größte Herausforderung – die immer mehr ihrem guten Ruf schadet.
Der schwelende Konflikt ist im Oktober des vergangenen Jahres erneut aufgeflammt. Neun Grenzschutzpolizisten wurden damals getötet, die Armee startete daraufhin eine monatelange Razzia. Menschenrechtsgruppen sehen die Aktion mittlerweile völlig außer Kontrolle. Den Soldaten werden Brandstiftung, Vergewaltigung und Mord vorgeworfen. Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind schon mehr als 65.000 Angehörige der Rohingyas nach Bangladesch geflohen.
Schon vor der aktuellen Krise wurde Suu Kyi dafür kritisiert, sich nicht für die Rohingyas einzusetzen. Obwohl die Minderheit seit Generationen in Myanmar zu Hause ist, wird ihr die Staatsbürgerschaft verweigert. Viele Rohingyas haben deshalb nur beschränkten Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischer Versorgung. Die UNO spricht von einer der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt. Heute leben Buddhisten und Muslime im westlichen Bundesstaat Rakhine überwiegend getrennt voneinander, die Rohingyas oft unter miserablen Bedingungen in Camps.
Seit Suu Kyis Partei die Regierungsgeschäfte führt, sind im ganzen Land Kämpfe zwischen Militär und ethnischen Gruppen aufgeflammt. Investoren sind enttäuscht vom schleppenden Gang der wirtschaftlichen Öffnung. Immer noch gelten repressive Gesetze aus der Junta-Zeit. Viele halten die Krise in Rakhine jedoch für die größte Belastungsprobe für die Staatschefin. Im Dezember wurde die 71-Jährige sogar von 13 anderen Nobelpreisträgern dafür getadelt. In einem offenen Brief an den UNO-Sicherheitsrat kritisierten sie, die Ereignisse in Rakhine grenzten an „ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Die Regierung weist jedoch alle Vorwürfe zurück, dass Soldaten dort massiv gegen Menschenrechte verstießen. Stattdessen beschuldigte Suu Kyis Ministerium die Rohingyas, ihre Häuser selbst anzuzünden, um internationale Aufmerksamkeit zu erregen. Der ausländischen Presse hält man vor, Falschmeldungen zu verbreiten.
„Es ist grausig, wie Suu Kyi diese Krise managt“, sagt David Mathieson, ein in Yangon (Rangun) ansässiger Myanmar-Experte. Einen Großteil der Kritik hält er für unfair. „Es sieht inzwischen ja fast schon so aus, als hätte sie und nicht das Militär das ganze Chaos angerichtet.“Das Militär kontrolliert noch immer ein Viertel des Parlaments sowie die Ministerien für Verteidigung, Inneres und Grenzfragen.
Die Bevölkerung von Myanmar teilt die Kritik an Suu Kyi zum größten Teil nicht. Die meisten sind dagegen, den Rohingyas die Staatsbürgerschaft zu geben.