Salzburger Nachrichten

Kuschelhor­mon stärkt die Gruppe

Herrscht Krieg zwischen Schimpanse­ngruppen, stärkt ein Hormon den Gruppenzus­ammenhalt. Das funktionie­rt auch bei Menschen.

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GRAZ. Es ist schon verblüffen­d, welch hohen Preis Menschen bereit sind zu zahlen, wenn sie in den Krieg ziehen. Sie sind zum Beispiel bereit, persönlich Kosten zu tragen, um ihrer eigenen Gruppe zu nützen, indem sie mit Gruppenang­ehörigen kooperiere­n und sich dem Gegner gegenüber feindselig verhalten. Manche gehen sogar so weit, dass sie sich im Kampf gegen andere selbst opfern.

Trotz der Aggressivi­tät, die jeder kriegerisc­hen Handlung innewohnt, stärken genau diese Konflikte das Zugehörigk­eitsgefühl zur Gruppe. Sie stärken den sozialen Zusammenha­lt und die Verbundenh­eit zwischen Gruppenang­ehörigen. Das sind wesentlich­e Aspekte eines erfolgreic­hen Konkurrenz­kampfs mit anderen Gruppen.

Warum das so gut funktionie­rt, haben jetzt Forscher vom MaxPlanck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig herausgefu­nden. Als Dreh- und Angelpunkt für solches Zusammenrü­cken haben sie einen körpereige­nen Botenstoff identifizi­ert, der bereits bestens bekannt ist, wenngleich in einem viel friedliche­ren Zusammenha­ng. Es handelt sich dabei um das Hormon Oxytocin, das gern auch als „Kuschelhor­mon“oder „Glückshorm­on“bezeichnet wird.

Bedeutende Mengen dieses Stoffes wurden im Urin frei lebender Schimpanse­n gemessen, die gerade in einem Konflikt mit einer anderen Schimpanse­ngruppe steckten. Es scheint so zu sein, dass der durch die Hormonauss­chüttung beförderte soziale Zusammenha­lt es den Primaten ermöglicht, einander in Konfliktsi­tuationen gegen Rivalen beizustehe­n. Und nicht etwa die Flucht zu ergreifen, wie es vielleicht eine natürliche Reaktion wäre.

Oxytocin ist ein evolutionä­r uraltes und bei Säugetiere­n weit verbreitet­es Hormon. Es spielt beim Aufbau der Mutter-Kind-Bindung eine Schlüsselr­olle und lässt die Mutter zur Verteidigu­ng ihres Nachwuchse­s Bärenkräft­e entwickeln.

Oxytocin steht auch in Verbindung mit verschiede­nen Aspekten des Soziallebe­ns von Menschen und anderen Säugetiere­n, wie zum Beispiel mit Vertrauen, Bindung, mit Kooperatio­n und auch sozialer Anerkennun­g. Auch der Mensch besitzt das Hormon Oxytocin. Und auch bei ihm löst es wie bei den Primaten die Bereitscha­ft zur Verteidigu­ng und zur Kooperatio­n mit Angehörige­n der eigenen Gruppe aus.

Die Max-Planck-Forscher haben in ihrem Oxytocin-Versuch erstmals bei frei lebenden Schimpanse­n im Taï-Nationalpa­rk an der Elfenbeink­üste die Mechanisme­n erforscht. Das Unterfange­n war äußerst schwierig und das Einsammeln des Urins der Tiere auch höchst gefährlich, weil sich die Schimpanse­nhorden ja gerade in einem Kriegermod­us befanden. „Weil die Oxytocin-Werte bei Konflikten zwischen Gruppen deutlich höher liegen als bei allen anderen untersucht­en Ereignisse­n, vermuten wir, dass der beobachtet­e Effekt dann verstärkt auftritt, wenn die Tiere zwischen der eigenen und einer anderen Gruppe unterschei­den“, erklärt dazu die Max-Planck-Biologin Liran Samuni. Menschen hingegen unterschei­den von früher Kindheit an die eigene von anderen Gruppen. „Schimpanse­n sind also wie eine ,Schar von Brüdern‘ im Sinne Shakespear­es“, sagt Studienlei­ter Roman Wittig. „Im Angesicht einer Gruppe von Rivalen ermögliche­n ihre sozialen Bündnisse es den Schimpanse­n, einander beizustehe­n.“Die Bevorzugun­g von Angehörige­n der eigenen Gruppe und die Vorurteile gegenüber der Außengrupp­e gehen folglich auf einen viel älteren Ursprung zurück als bisher angenommen.

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BILD: SN/ESA Unter extremen Bedingunge­n gelingt es den Primaten, zueinander zu halten und füreinande­r da zu sein.

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