Mit Pathos beginnt die Ära Trump
Regnerischer Himmel, reihenweise Absagen und freudlose Stimmung – die Amtseinführung des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten signalisierte wenig Zuversicht.
WASHINGTON. Kurz nach Mittag kündigen Posaunen und Trommeln vier Mal den Ehrenmarsch für den neuen Präsidenten an. Donald Trump hat geschafft, woran lange Zeit nur er selbst geglaubt hatte: Führer der Supermacht USA zu werden. „Von diesem Tag an wird unser Land von einer neuen Vision geleitet“, so versprach der frisch Vereidigte seinen Landsleuten. Er werde das Land „wieder aufbauen“. Trump zeichnete ein düsteres Bild einer verrotteten Nation, die von Armut, Kriminalität und Drogen zerstört ist und von anderen Mächten ausgelaugt wird. Zuversicht vermittelt er nicht. Doch „von nun an gilt nur: Amerika zuerst, Amerika zuerst“, betonte er. In seiner sehr nationalistischen Rede versprach er, jede Entscheidung unter dem Aspekt zu treffen, ob sie amerikanischen Familien helfe.
Die USA hätten „die Armeen anderer Länder subventioniert“, während die eigenen Streitkräfte geschwächt worden seien. „Wir haben die Grenzen anderer Länder verteidigt, während wir unsere vernachlässigt haben“, die Amerikaner hätten andere Länder reich gemacht, „während unser Wohlstand am Horizont verschwunden ist“.
In seiner Präsidentschaft würden die USA „alte Bündnisse wahren und neue formen“. Amerika werde die zivilisierte Welt vereinen, um „den radikalen Islam für immer vom Gesicht der Erde auszulöschen“. Wenn Amerika geeint bleibe, sei die Nation nicht zu stoppen. Sprach’s, und streckte am Ende seiner Ausführungen, die mehr wie eine Wahlkampfrede klangen als eine Ansprache zur feierlichen Inauguration, die Faust in die Höhe.
Während Trump sprach, setzte ein leichter Nieselregen ein, der die Stimmung seiner rund 800.000 Anhänger auf der Mall nicht trübte. Diese hatten kurz zuvor verfolgt, wie Trump auf den Stufen des Capitols seine Hand gleich auf zwei Bibeln legte, während der Vorsitzende Richter am Verfassungsgericht John Roberts ihm den Amtseid abnahm. Eine Bibel stammt von Abraham Lincoln, dem Retter der Einheit der Nation, die andere hatte ihm seine Mutter zum Ende seiner Sonntagsschulzeit geschenkt.
Wenig freudig sind die Mienen der ehemaligen Präsidenten, die aus Respekt vor dem Amt gekommen sind. George W. Bush, Jimmy Carter, Bill Clinton und natürlich auch Barack Obama sind in Begleitung ihrer Ehefrauen da.
Angeführt von der schwarzen Bürgerrechtslegende John Lewis boykottierten 66 Kongressmitglieder, allesamt Demokraten, die Amtseinführung Trumps. Auch viele Bewohner der amerikanischen Hauptstadt, in der Trump gerade einmal vier Prozent der Stimmen holte, suchten das Weite, während die Trump-Fans aus dem ländlichen Amerika und den alten Industriestädten nach Washington gereist waren, um der Inauguration beizuwohnen. Die verglichen mit den beiden Amtseinführungen Barack Obamas deutlich geringere Teilnehmerzahl kompensierten die Anhänger des neuen US-Präsidenten mit Leidenschaft. „Das erste Mal im Leben kann ich meine Meinung sagen“, meinte Donna Lutz (71), die aus Florida angereist war und sich in guter Gesellschaft fühlte. „Es ist schön, dass ich meine Passion mit Gleichgesinnten teilen kann.“
Mindestens so leidenschaftlich ist der Protest der Gegner Trumps, die 62 Kundgebungen mobilisiert haben. An mehreren Stellen blockierten Demonstranten den Zugang zur Mall. Die mehr als 28.000 Sicherheitskräfte hatten die Stadt in eine Festung verwandelt. Barrikaden, Zäune und das massive Aufgebot sorgten für einen weitgehend reibungslosen Ablauf der offiziellen Zeremonie. Doch das Interesse an den Feierlichkeiten eines Mannes, der mit einer historisch niedrigen Zustimmungsrate von 40 Prozent sein Amt antritt, war gering. Die Veranstalter der Festbälle am Abend hatten Mühe, Karten zu verkaufen, ein traditioneller Ball musste sogar abgesagt werden. Auch die Parade vom Kongress zum Weißen Haus fiel mit 90 Minuten deutlich kürzer aus als üblich.
Während Trump nach seiner Rede im Kongress zu Tisch saß, fuhr das scheidende Präsidentenpaar zur Andrews Air Force Base. Barack und Michelle Obama werden die nächsten Tage fernab von Washington in einem Haus in Palm Springs in Kalifornien verbringen. Obama scheidet mit Beliebtheitswerten um 60 Prozent aus dem Amt.
Für heute, Samstag, haben sich Hunderttausende Demonstranten angekündigt, die den Protest gegen den frisch vereidigten Präsidenten fortsetzen wollen.
Melania Trump trug bei ihrem ersten Auftritt als First Lady übrigens ein hellblaues Kostüm des 77jährigen Star-Designers Ralph Lauren. Der Stil erinnerte an Jackie Kennedy. Lauren war neben Tommy Hilfiger einer der wenigen Modemacher, die sich bereiterklärt hatten, Frau Trump auszustatten.
„Ich werde Amerika wieder aufbauen.“Donald Trump, US-Präsident