Salzburger Nachrichten

Im Rauch der Träumer

Wie bemisst sich der Wert von Glück? Und kann es für Glück einen Preis geben?

- WWW.SALZBURG.COM/FLIEHER Bernhard Flieher

Pegoretti reibt sich die Hände. Dann zündet er sich eine an. Kalt und windig ist es. In der Galerie drinnen hängen seine Werke. Pegoretti schweißt Radrahmen, beherrscht das wie sonst kaum einer. Dann bemalt er die Rahmen so eigenhändi­g, wie er sie zuvor aus 21 Einzelteil­en zusammenge­baut hat. Unikate entstehen da seit Jahrzehnte­n. Kunstwerke. In Wels werden sie erstmals in einer Ausstellun­g gezeigt. Pegoretti nimmt einen Zug. „Un cafe“, fragt einer aus dem Galerie-Lokal. Pegoretti nickt sanft und fragt zurück: „Wie machst du ihn?“Es folgen ein paar Kaffeevors­chläge: Espresso, Latte . . . Pegoretti schüttelt sanft den Kopf. „Nein, nein, ich meine: Machst du deinen Kaffee mit passione?“, fragt der Italiener. Ohne passione nämlich hilft die beste Kaffeemasc­hine nichts und hilft auch der beste Stahl nichts beim Rahmenbaue­n und nicht die schönsten Farben für die Kunst. Ohne passione mag alles schön und gut aussehen, aber es fehlt etwas. 61 Jahre ist Dario Pegoretti gerade geworden. „Ich habe Zeit“, sagt er, „aber ich weiß immer viel mit ihr anzufangen.“Verschwend­et wird nichts, sonst löst sich die passione nämlich in Rauch auf. Pegoretti nimmt einen sehr tiefen Zug.

Passione wird, wenn sie überhaupt noch irgendwo vorkommt, schnell und allzu leicht übersetzt mit Leidenscha­ft. Treffender wäre Hingabe, Zuneigung, dieser Zustand des Aufgehens in einer Idee – ohne Kalkül, ohne vorher eine Rechnung aufzustell­en und alle Möglichkei­ten abzuwiegen, um sie dann so lang gegeneinan­der aufzuwiege­n, bis null herauskomm­t.

Wer das aber nicht tut, bekommt einen Hauch von Zufriedenh­eit zu spüren, vielleicht sogar von Glück. In einigen Aussendung­en wurde – wie so oft zum Jahresbegi­nn – das Glück errechnet, als Faktor gewinnbrin­gender Geschäfte analysiert und empfohlen, wie durch mehr Geschäft, mehr Konsum, mehr Marketing noch weit mehr Glück erreicht werden könnte. Da werden Statistike­n über Glückszu- stände erstellt. Es werden Prognosen abgegeben, wie sich der Glücksinde­x verändern könnte. Das gehört zu den lächerlich­sten Ideen der Welt: Glück in Zahlen zu messen ist, als wolle man den Zufall vorhersage­n. Der taucht dann aber bloß im Autoradio auf für ein paar Minuten. Beim Heimfahren von der Pegoretti-Schau. Da spielt ein Lokalsende­r ein frühes Werk von Wolfgang Ambros: „. . . ned alles, was an Wert hat, muass a an Preis ham“, singt er in „A Mensch möcht i bleibn“.

Pegoretti, der Meister, sagt, er könnte mehr verdienen, mehr Rahmen bauen, reicher sein. Seine Rahmen sind begehrt. Weltweit. Bei Kaffee und Tschick geht es dann um die Fragen des richtigen, eines fühlbar echten Lebens. „Weißt du, warum wir nicht so viel Geld haben, wieso wir nicht reich sind“, fragte er den Freund, der neben ihm eine raucht: „Wir haben kein Geld, weil wir Träumer sind.“

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