Im Rauch der Träumer
Wie bemisst sich der Wert von Glück? Und kann es für Glück einen Preis geben?
Pegoretti reibt sich die Hände. Dann zündet er sich eine an. Kalt und windig ist es. In der Galerie drinnen hängen seine Werke. Pegoretti schweißt Radrahmen, beherrscht das wie sonst kaum einer. Dann bemalt er die Rahmen so eigenhändig, wie er sie zuvor aus 21 Einzelteilen zusammengebaut hat. Unikate entstehen da seit Jahrzehnten. Kunstwerke. In Wels werden sie erstmals in einer Ausstellung gezeigt. Pegoretti nimmt einen Zug. „Un cafe“, fragt einer aus dem Galerie-Lokal. Pegoretti nickt sanft und fragt zurück: „Wie machst du ihn?“Es folgen ein paar Kaffeevorschläge: Espresso, Latte . . . Pegoretti schüttelt sanft den Kopf. „Nein, nein, ich meine: Machst du deinen Kaffee mit passione?“, fragt der Italiener. Ohne passione nämlich hilft die beste Kaffeemaschine nichts und hilft auch der beste Stahl nichts beim Rahmenbauen und nicht die schönsten Farben für die Kunst. Ohne passione mag alles schön und gut aussehen, aber es fehlt etwas. 61 Jahre ist Dario Pegoretti gerade geworden. „Ich habe Zeit“, sagt er, „aber ich weiß immer viel mit ihr anzufangen.“Verschwendet wird nichts, sonst löst sich die passione nämlich in Rauch auf. Pegoretti nimmt einen sehr tiefen Zug.
Passione wird, wenn sie überhaupt noch irgendwo vorkommt, schnell und allzu leicht übersetzt mit Leidenschaft. Treffender wäre Hingabe, Zuneigung, dieser Zustand des Aufgehens in einer Idee – ohne Kalkül, ohne vorher eine Rechnung aufzustellen und alle Möglichkeiten abzuwiegen, um sie dann so lang gegeneinander aufzuwiegen, bis null herauskommt.
Wer das aber nicht tut, bekommt einen Hauch von Zufriedenheit zu spüren, vielleicht sogar von Glück. In einigen Aussendungen wurde – wie so oft zum Jahresbeginn – das Glück errechnet, als Faktor gewinnbringender Geschäfte analysiert und empfohlen, wie durch mehr Geschäft, mehr Konsum, mehr Marketing noch weit mehr Glück erreicht werden könnte. Da werden Statistiken über Glückszu- stände erstellt. Es werden Prognosen abgegeben, wie sich der Glücksindex verändern könnte. Das gehört zu den lächerlichsten Ideen der Welt: Glück in Zahlen zu messen ist, als wolle man den Zufall vorhersagen. Der taucht dann aber bloß im Autoradio auf für ein paar Minuten. Beim Heimfahren von der Pegoretti-Schau. Da spielt ein Lokalsender ein frühes Werk von Wolfgang Ambros: „. . . ned alles, was an Wert hat, muass a an Preis ham“, singt er in „A Mensch möcht i bleibn“.
Pegoretti, der Meister, sagt, er könnte mehr verdienen, mehr Rahmen bauen, reicher sein. Seine Rahmen sind begehrt. Weltweit. Bei Kaffee und Tschick geht es dann um die Fragen des richtigen, eines fühlbar echten Lebens. „Weißt du, warum wir nicht so viel Geld haben, wieso wir nicht reich sind“, fragte er den Freund, der neben ihm eine raucht: „Wir haben kein Geld, weil wir Träumer sind.“