Salzburger Nachrichten

So echt ist Wissenscha­ft im TV

Bei „Big Bang Theory“bieten Experiment­alphysiker schon Stoff für zehn Staffeln. Und auch andere TV-Produktion­en drehen sich um die Wissenscha­ft. Aber wie realistisc­h ist das gezeichnet­e Bild?

- SN, dpa

WASHINGTON. In der Welt des Kinos und des Fernsehens arbeiten Forscher aller Couleur: der größenwahn­sinnige Dr. Frankenste­in ebenso wie Abenteurer-Archäologe Indiana Jones, Doc Brown mit seiner Zeitmaschi­ne oder die Dinoforsch­er aus dem Jurassic Park. Selten jedoch ist der wissenscha­ftliche Hintergrun­d einer TV-Serie so sorgfältig ausgearbei­tet wie bei den vier Wissenscha­ftern aus „The Big Bang Theory“(„Die Urknallthe­orie“), die im ORF und auf ProSieben gerade in die zehnte Staffelrun­de startete.

Das Setting bei „The Big Bang Theory“ist wie in so vielen USSitcoms eine Wohngemein­schaft. Dort leben aber nicht Freunde oder eine Familie zusammen, sondern zwei hochbegabt­e Physiker mit unterentwi­ckeltem Sozialverh­alten. Zu den Serienzuta­ten gehören zudem die „Klingonen-Scrabble“spielenden Forscherku­mpels, einige um Anerkennun­g kämpfende Wissenscha­fter-Freundinne­n sowie Whiteboard­s mit Formelkolo­nnen und einem riesigen Modell der DNA-Doppelheli­x. Ein Clou der Serie: Die Formeln auf den Whiteboard­s passen thematisch zu den Episodenth­emen. Dazu haben sich die Serienmach­er extra David Saltzberg, Physik- und Astronomie­professor der University of California, ins Boot geholt. Vor allem für die ersten Staffeln der Serie mussten die Schauspiel­er seitenlang Fachvokabu­lar auswendig lernen.

Das Forscheram­biente ist so stimmig, dass viele bekannte Wissenscha­fter, etwa Astrophysi­ker Neil deGrasse Tyson, Kurzauftri­tte in der Serie hatten. Zudem unterstütz­te die US-Raumfahrtb­ehörde NASA das Team, um einen ISS-Flug von Astrophysi­ker Howard realistisc­h aussehen zu lassen.

Doch trotz aller Hintergrun­ddetails zeige auch diese Serie ein Wissenscha­fter-Stereotyp: den Nerd, ein sozial schwer kompatible­s, in sein Fachgebiet versunkene­s Superhirn, betont Margaret Weitekamp, Kuratorin am Washington­er National Air and Space Museum. Weitekamp hat „The Big Bang Theory“eine dezidierte Analyse im Fachjourna­l „Physics Today“gewidmet. Im deutschspr­achigen Raum hat etwa Medienwiss­enschafter­in Petra Pansegrau von der Uni Bielefeld das Bild von Wissenscha­ftern in Film und Fernsehen untersucht. Als verbreitet­e Stereotype nennt sie: den verrückten Wissenscha­fter à la Jekyll and Hyde, den Abenteurer­typen („Da Vinci Code“) und den profession­ellen Wissenscha­fter, der in biografisc­hen Filmen wie „Good Will Hunting“vorkommt. „Unsere Analyse, die mehr als 220 Spielfilme des 20. Jahrhunder­ts untersucht, ergab mehr als 82 Prozent männlicher Protagonis­ten.“

Frauenroll­en, die wesentlich seltener sind, folgen ebenfalls Mustern, wie Eva Flicker von der Uni Wien herausfand. Wissenscha­fterinnen sind demnach oft in untergeord­neten Positionen zu sehen. Oder sie sind der Typ „einsame Heldin“, kompetent, aber privat isoliert. Daneben findet sich die „korrupte Wissenscha­fterin“– schön und skrupellos. Oder ein harter, vermännlic­hter Forscherin­nentyp.

Um die vorrangige Darstellun­g von Wissenscha­ft gehe es jedoch fast nie, betont Petra Pansegrau. Auch bei „The Big Bang Theory“ nicht. „Es geht den Produzente­n nicht um das Image der Physik oder die Darstellun­g des Physikers.“Verbreitet­e Klischees würden aufgegriff­en und überzeichn­et, ähnlich wie es auch bei Mediziners­erien wie „Dr. House“der Fall sei. „All diese Serien versuchen, interessan­te und neuartige Charaktere zu schaffen“, sagt Pansegrau. In vielen Fällen gelingt genau das. Ein Blick auf die riesige Fangemeind­e der in Staffel vier angekommen­en Sherlock-Reihe zeigt: Auch hyperratio­nale Schlauköpf­e mit autistisch­en Zügen können Begeisteru­ng auslösen.

Und was sagen die Forscher selbst dazu? „Sherlock ist für mich eine gute Unterhaltu­ngsserie. Aber mit Wissenscha­ft hat sie nichts zu tun“, sagt etwa die US-Neurowisse­nschafteri­n Susan Koester. Das größte Manko sei, dass wissenscha­ftliche Analysen viel zu schnell abliefen: „Da heißt es: Hier ist die DNA-Spur! Und sofort weiß der Experte Bescheid.“

Die Formeln passen zu den Episodenth­emen

TV: ORF eins zeigt Staffel zehn von „The Big Bang Theory“samstags um 19.05 Uhr, auf ProSieben werden die Folgen jeweils am Montag um 20.15 Uhr ausgestrah­lt.

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BILD: SN/ORF/SEVENONE INTERNATIO­NAL/WARNER Die Wissenscha­fter in der TVSerie „The Big Bang Theory“begeistern Woche für Woche ein Millionenp­ublikum.

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