Bild und Facebook sowie Böcke und Gärtner
Im Windschatten der Aufregung um Trump bilden sich Allianzen von digitalen Netzwerken und Medienkonzernen.
„Bild“interviewte Donald Trump, und der Widerhall war gewaltig im europäischen Blätterwald. Der reichweitenstärksten Zeitung des Abendlands gelang am Montag ein journalistischer Coup. „Bild“interviewte Sheryl Sandberg, und die Zitate aus diesem Gespräch darbten am Dienstag auf den hinteren Seiten der globalen Tagespresse.
Nun ist der 45. Präsident der USA zwar eine schillerndere Figur als die Geschäftsführerin von Facebook. Ob er unseren Alltag mehr beeinflusst als die laut „Forbes“siebtmächtigste Frau der Welt sei aber angesichts von 1,8 Milliarden Nutzern des digitalen Netzwerkes dahingestellt. Vor allem ihre Aussagen zu Falschmeldungen, den Fake News, sind bemerkenswert.
Sandberg will sich einerseits auch künftig nicht ums Löschen unwahrer Behauptungen kümmern, andererseits aber Verantwortung übernehmen. Ihr Schlüssel dazu ist die Zusammenarbeit mit externen Experten, vor allem Journalisten. Sie sagt: „Wir wollen nicht entscheiden, was die Wahrheit ist“, denn, „wir schreiben keine Artikel. Wir bearbeiten keine Artikel.“Dabei fallen zwei Aspekte auf: Zum einen erklärt sie das ausgerechnet „Bild“, dem größten Boulevardblatt des Kontinents. Zum anderen nimmt dessen Eigentümer umgehend den Ball auf. Mathias Döpfner, Chef des AxelSpringer-Verlags sagt, erst wenn Facebook einen Chefredakteur einstelle, wäre das der Startschuss zur Gegenwehr: „Verlage sind dafür verantwortlich, dass die Wahrheit berichtet wird. Facebook verteilt sie nur.“
Die beiden, die behaupten, Verantwortung zu übernehmen, wollen noch mehr ihre Macht festigen und Status gewinnen. Sie hintertreiben politische Absichten, Facebook ins Medienrecht einzubinden – es also auch für Inhalte seiner Nutzer geradestehen zu lassen. Und sie betreiben den Aufstieg vom Saulus zum Paulus: Der amerikanische Falschmeldungsverbrei- ter und der deutsche Boulevardbesorger üben den Paarlauf zur medialen Führungsmacht, während die Bannerträger des Qualitätsjournalismus ihre Bedenken sortieren. Es geht immerhin um einen demokratiepolitisch entscheidenden Balanceakt zwischen Rede- wie Pressefreiheit und Selbstkontrolle bis Zensur.
Hier Inhaltshüter Medien, dort Vertriebskanal Netzwerk. Klingt bestechend logisch, ist aber brandgefährlich, weil es nicht gleiche Voraussetzungen für alle schafft, sondern vereinte Böcke auch leichter zu Gärtnern macht. Die Strategie von Sandberg und Döpfner hat dennoch große Chancen. Politik ist zu träge und Medien sind zu uneins, um kurz entschlossene Branchenführer aufzuhalten. Wenn diese sich arrangieren, schaffen sie Tatsachen. Die Welt verändert sich auch im Schatten von Trump.