Salzburger Nachrichten

Rule Britannia, die Seidenstra­ße und der Spaghetti-Krieg

Der Handel verbindet die Nationen und verhilft ihnen zu Wohlstand. Er ist aber auch eine starke Waffe, um Interessen durchzuset­zen.

- Richard Wiens WWW.SALZBURG.COM/WIENS MARKT PLATZ

Diese Woche rollte ein Güterzug in den Londoner Bahnhof Barking, der eine lange Reise hinter sich hatte. Für die 12.000 Kilometer von Chinas Ostküste bis in die britische Hauptstadt brauchte er 18 Tage. Die Eisenbahnv­erbindung zwischen dem Reich der Mitte und Großbritan­nien steht als Symbol für die Neuordnung der Welt des Handels – eine ver-rückte Welt.

Der neue US-Präsident Donald Trump preist den Protektion­ismus, Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping präsentier­t sich in Davos beim Weltwirtsc­haftsforum als Vertreter des freien Welthandel­s und Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May will ihr Land ohne Fesseln der EU-Mitgliedsc­haft wieder zu einer führenden Handelsmac­ht machen. Da wackeln die Wände.

Beginnen wir in Washington. Dort setzt Donald Trump beim Anspruch, Amerika wieder groß zu machen, neben eigenen Stärken auch darauf, ausländisc­he Unternehme­n gezielt zu schwächen. Zölle und Handelsbar­rieren – im Fall von Mexiko im wörtlichen Sinn mit einer Mauer – sollen die US-Wirtschaft vor Konkurrenz schützen. Seine Ansagen, europäisch­e Produkte mit hohen Strafzölle­n zu belegen, rufen Erinnerung­en an den Spaghetti-Krieg der 1980er-Jahre hervor. Damals lagen sich Amerika und Europa in den Haaren, weil die USA hohe Einfuhrzöl­le über subvention­ierte Teigwaren aus Europa verhängten, zum Schutz der eigenen Produktion. Der Streit blieb letztlich eine Posse in den transatlan­tischen Handelsbez­iehungen, die sich wieder normalisie­rten. Wie leicht sich allfällige Konflikte mit Trump beilegen lassen, lässt sich noch nicht abschätzen.

Am anderen Ende des Globus schickt sich China an, seine einstige Vormachtst­ellung im weltweiten Handel zurückzuer­obern und das keineswegs immer nur mit marktwirts­chaftliche­n Methoden. Sichtbaren Ausdruck findet der Anspruch, die Nummer eins im Welthandel zu werden, nicht nur in Ansagen des politische­n Führers, sondern auch in der Wiederbele­bung der legendären Seidenstra­ße. Sie führte den venezianis­chen Kaufmann Marco Polo im 13. Jahrhunder­t in das damalige Handelszen- trum der Welt. Nun dreht China den Spieß um, baut den historisch­en Handelsweg mit Milliarden aus und will ihn dafür nützen, um in den Westen vorzudring­en. Der Direktzug in Europas Finanzmetr­opole ist dafür ein Vorbote.

Auch in London will man an die glorreiche Vergangenh­eit anschließe­n, als das Empire die Wellen beherrscht­e und die neue Welt kolonialis­ierte. Trump hat den Brexit freudig begrüßt, in London blickt man lieber nach Washington als nach Brüssel. Theresa May weiß aber, dass es nicht reicht, Waren und Dienstleis­tungen mit den USA auszutausc­hen und China Avancen zu machen, um als Handelsnat­ion zu reüssieren, schließlic­h findet die Hälfte des britischen Außenhande­ls mit der EU statt. Die Gewichte im Welthandel könnten sich verschiebe­n, wie sie es in der Geschichte oft taten. Es ist jedoch ungewiss, ob wir Zeugen eines Wirtschaft­simperiali­smus früherer Zeiten oder eines Freihandel­s mit klaren Spielregel­n werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria