Rule Britannia, die Seidenstraße und der Spaghetti-Krieg
Der Handel verbindet die Nationen und verhilft ihnen zu Wohlstand. Er ist aber auch eine starke Waffe, um Interessen durchzusetzen.
Diese Woche rollte ein Güterzug in den Londoner Bahnhof Barking, der eine lange Reise hinter sich hatte. Für die 12.000 Kilometer von Chinas Ostküste bis in die britische Hauptstadt brauchte er 18 Tage. Die Eisenbahnverbindung zwischen dem Reich der Mitte und Großbritannien steht als Symbol für die Neuordnung der Welt des Handels – eine ver-rückte Welt.
Der neue US-Präsident Donald Trump preist den Protektionismus, Chinas Staatspräsident Xi Jinping präsentiert sich in Davos beim Weltwirtschaftsforum als Vertreter des freien Welthandels und Großbritanniens Premierministerin Theresa May will ihr Land ohne Fesseln der EU-Mitgliedschaft wieder zu einer führenden Handelsmacht machen. Da wackeln die Wände.
Beginnen wir in Washington. Dort setzt Donald Trump beim Anspruch, Amerika wieder groß zu machen, neben eigenen Stärken auch darauf, ausländische Unternehmen gezielt zu schwächen. Zölle und Handelsbarrieren – im Fall von Mexiko im wörtlichen Sinn mit einer Mauer – sollen die US-Wirtschaft vor Konkurrenz schützen. Seine Ansagen, europäische Produkte mit hohen Strafzöllen zu belegen, rufen Erinnerungen an den Spaghetti-Krieg der 1980er-Jahre hervor. Damals lagen sich Amerika und Europa in den Haaren, weil die USA hohe Einfuhrzölle über subventionierte Teigwaren aus Europa verhängten, zum Schutz der eigenen Produktion. Der Streit blieb letztlich eine Posse in den transatlantischen Handelsbeziehungen, die sich wieder normalisierten. Wie leicht sich allfällige Konflikte mit Trump beilegen lassen, lässt sich noch nicht abschätzen.
Am anderen Ende des Globus schickt sich China an, seine einstige Vormachtstellung im weltweiten Handel zurückzuerobern und das keineswegs immer nur mit marktwirtschaftlichen Methoden. Sichtbaren Ausdruck findet der Anspruch, die Nummer eins im Welthandel zu werden, nicht nur in Ansagen des politischen Führers, sondern auch in der Wiederbelebung der legendären Seidenstraße. Sie führte den venezianischen Kaufmann Marco Polo im 13. Jahrhundert in das damalige Handelszen- trum der Welt. Nun dreht China den Spieß um, baut den historischen Handelsweg mit Milliarden aus und will ihn dafür nützen, um in den Westen vorzudringen. Der Direktzug in Europas Finanzmetropole ist dafür ein Vorbote.
Auch in London will man an die glorreiche Vergangenheit anschließen, als das Empire die Wellen beherrschte und die neue Welt kolonialisierte. Trump hat den Brexit freudig begrüßt, in London blickt man lieber nach Washington als nach Brüssel. Theresa May weiß aber, dass es nicht reicht, Waren und Dienstleistungen mit den USA auszutauschen und China Avancen zu machen, um als Handelsnation zu reüssieren, schließlich findet die Hälfte des britischen Außenhandels mit der EU statt. Die Gewichte im Welthandel könnten sich verschieben, wie sie es in der Geschichte oft taten. Es ist jedoch ungewiss, ob wir Zeugen eines Wirtschaftsimperialismus früherer Zeiten oder eines Freihandels mit klaren Spielregeln werden.