Mayers zweijähriger Leidensweg endet in Kitz ganz oben
Erstmals seit seinem Olympiasieg 2014 bestreitet Matthias Mayer eine Saison ohne Probleme.
KITZBÜHEL. Es war vor sechs Wochen in Val d’Isère: Österreichs Abfahrtsteam hatte zum Speed-Auftakt eine verheerende Pleite eingefahren und Cheftrainer Andreas Puelacher ging mit den Läufern recht scharf ins Gebet – nur einen nahm er davon aus: Matthias Mayer. Über ihn mache er sich keine Sorgen, meinte Puelacher und begründete dies auch mit dessen Geschichte: „Er war in den ganzen letzten Jahren eigentlich nur eine Saison wirklich fit und da hat er Gold in Sotschi gewonnen.“Puelachers Schlussfolgerung daraus: „Wenn er einmal eine Saison fit bleibt, dann wird er auch wieder gewinnen, denn die Klasse dazu hat er.“
Das hat sich nun in Kitzbühel eindrucksvoll bestätigt. Zwei Tage vor diesem Sieg meinte Mayer in Kitzbühel auf die Frage, ob er sich körperlich schon zu 100 Prozent fit fühle: „Körperlich fühle ich mit fit, aber zu 100 Prozent Leistung gehört eben auch das nötige Selbstvertrauen, um dieses Potenzial auch abzurufen. Dafür fehlt mir noch ein Erfolgserlebnis.“Waren das am gestrigen Freitag schon wieder 100 Prozent? „In diesem Lauf ganz sicher. Ich bin endlich wieder gefahren, ohne viel nachzudenken.“
Fahren, ohne viel nachzudenken, das war vor einem Monat für Mayer noch nicht so möglich. Nach seiner Rückkehr in den Weltcup hat er feststellen müssen, dass sich doch einiges geändert hat. „Ich hätte gedacht, dass es leichter geht“, meinte er noch im Dezember, „aber mir fehlt die Überwindung und statt Lockerheit ist eine Spur Angst dabei.“
Einer, der ihm das gut nachfühlen konnte, war Hannes Reichelt, der ihm den Sieg mehr als nur vergönnt hat. „Es ist bewundernswert, wie er sich nach dieser schweren Verletzung hier überwinden konnte. Denn das war ja nicht irgendein Sturz.“
Bei diesem angesprochenen Sturz im Dezember 2015 in Gröden hat sich Mayer den sechsten und siebten Brustwirbel gebrochen. Im Jahr zuvor waren Bandscheibenprobleme sein ständiger Wegbegleiter, erst gegen Saisonende kam er da auf Touren. Vor seinem Olympiasieg 2014 hatte ihm eine mysteriöse Viruserkrankung zugesetzt, er saß zwischendurch sogar wochenlang im Rollstuhl.
In all diesen Jahren hat er sich etwas angeeignet, was jetzt vermutlich seine größte Stärke ist: Geduld. „Das war nicht immer einfach, aber ich musste es erlernen und ich habe gewusst, dass auch wieder der Zeitpunkt kommt, an dem sich alles umdreht.“Der ist jetzt gekommen – punktgenau zu Kitzbühel und rechtzeitig vor der WM.