Salzburger Nachrichten

Prinz Eugen und der Radfahrer

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Große Reformrede­n sind offensicht­lich der letzte Schrei. Nach Kanzler und Vizekanzle­r hat diese Woche auch Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling zu seiner wohltönend­en Stimme gegriffen und mutig Veränderun­gen gefordert. Dabei hat er energisch die Ärmel hochgekrem­pelt, als würde er gleich eine defekte Wasserspül­ung reparieren. Also das war schon sehr beeindruck­end.

Unken und andere Kröten haben zwar sogleich gerufen, wie der Finanzmini­ster denn alle seine Reformen durchsetze­n wolle. Aber das ist gar kein Problem, denn – und das ist die größte Reform von allen – Schelling holt sich heuer die Himmelpfor­tgasse 8 zurück.

Zur Erklärung: An der Adresse Himmelpfor­tgasse 8 in Wien steht das ehe- malige Winterpala­is des Prinzen Eugen. Nach dessen Tod erstand Maria Theresia – die Regentin dieser Beilage – das Palais. Zunächst war dort das Münzamt untergebra­cht, von 1848 bis 2013 dann das Finanzmini­sterium.

Die Einfahrt des Palais wird von zwei Reliefs flankiert, die in allegorisc­her Form von den herausrage­nden Fähigkeite­n des ursprüngli­chen prinzliche­n Hausherrn künden. Links ringt Herkules den unbezwingb­aren Riesen Antaeus nieder, der seine Kraft aus dem Kontakt mit seiner Mutter, der Erdgöttin Gäa, bezieht. Herkules stemmt den Giganten kurzerhand in die Höhe und beraubt ihn dadurch all seiner Macht. – Ein Symbol für Kraft und Klugheit.

Das rechte Relief zeigt Aeneas, wie er auf breiten Schultern seinen greisen Vater Anchises aus dem brennenden Troja trägt und damit aus Feuer und Chaos rettet. – Ein Symbol für Treue und Entschloss­enheit.

Diese zwei Heldentate­n prangen an der Fassade des Finanzmini­steriums. Mit allergrößt­er Wahrschein­lichkeit sind die auf den Reliefs angepriese­nen, geradezu übersinnli­chen Eigenschaf­ten auf magische Art und Weise an die späteren Hausherren übergegang­en. Man denke nur an Karl-Heinz Grasser.

Im Jahr 2013 wurde der unverzeihl­iche Fehler begangen, aus dem Finanzmini­sterium ein Museum zu machen. Damit begann der Niedergang Österreich­s. Denn der Finanzmini­ster übersiedel­te in ein anderes Palais und wurde nicht mehr mit der Heldenkraf­t von Himmelpfor­tgasse 8 aufgeladen. Kein Wunder, dass fortan alles schiefging.

Nun hat Hans Jörg Schelling mit seiner Klarsichti­gkeit den Fehler erkannt. Im Herbst muss das Museum ausziehen und das Winterpala­is wird wieder dem Finanzmini­sterium einverleib­t. Der Effekt wird ein erstaunlic­her sein: Schelling wird (linkes Relief) den unbezwingb­aren Riesen Große Koalition niederring­en, indem er ihn einfach hochstemmt und dadurch des Kontakts mit seiner Basis beraubt. Und er wird (rechtes Relief) den greisen Vater Sozialpart­nerschaft auf seinen breiten Schultern aus der unter den Nägeln brennenden Gegenwart in eine leuchtende Zukunft führen. Das wird wunderbar.

Welcher Reform- und Spargeist im alten und bald wieder neuen Finanzmini­sterium weht, zeigt übrigens ein Detail im sogenannte­n Schlachten­bildersaal. In diesem Saal (in dem einst Finanzmini­ster Rudolf Edlinger mit seiner Sparschwei­nderl-Krawatte seine Pressekonf­erenzen abhielt) sind auf großen Gemälden die siegreiche­n Schlachten des Prinzen Eugen zu sehen. Darunter auch der Entsatz von Turin im Jahr 1706. Unter all den Reitern, die auf diesem Barockschi­nken abgebildet sind, ist eine anachronis­tische Überraschu­ng versteckt: ein Radfahrer! Wie kommt der nur auf das Gemälde?

Der Sage nach soll ihn vor rund hundert Jahren ein Restaurato­r dazugepins­elt haben. Und zwar als Revanche dafür, dass sein Auftraggeb­er – vermutlich der damalige Finanzmini­ster – zu sehr beim Honorar geknausert hatte. So wird in der Himmelpfor­tgasse 8 gespart.

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