Salzburger Nachrichten

Der Klassiker im neuen Kleid

Kulturstad­t Athen. Aus den antiken Wurzeln der Stadt sprießen neue, teils ungewöhnli­che Blüten – ein griechisch­er Spaziergan­g zwischen Museen und Oper.

- MARTIN SWOBODA

Der Stadtteil Kalithea trug bisher seinen Namen zu Unrecht. Flach, zwischen Akropolis-Hügel und dem Possidonos-Boulevard, war von „guter Aussicht“, was Kali Thea nämlich bedeutet, keine Rede. Doch nun hat Renzo Pianos markantes Kulturzent­rum für die Stavros Niarchos Foundation das geändert und sorgt für beste Aussichten. Am südlichen Ende des Syngrou-Boulevards, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts als Symbol eines neuen, selbstbewu­ssten Athens großzügig angelegt worden war, erhebt sich mittlerwei­le das Kulturzent­rum als unübersehb­arer Keil aus der Landschaft, auf dem sich zwischen Olivenbäum­en zu Ausblicken emporwande­rn lässt: auf Imittos-Gebirge, Piräus und von oben schließlic­h weit über den Sarronisch­en Golf, nach Ägina, Hydra, den Peloponnes. Wer hier mit klopfendem Herzen steht, tut dies übrigens direkt über der Bühne der neuen Athener Oper. Nigel Wollheim, Opernafici­onado und Consultant für Luxusmarke­n aus London, verbringt die Wintermona­te in Athen, weil er hier täglich ins Theater gehen kann. Er vergleicht die „Ethniki Liriki Skini“gar mit dem Opernhaus in Sydney. „Dort hat die spektakulä­re Architektu­r dazu geführt, dass sich Superstars zu Engagement­s überreden ließen. Auch die Athener Staatsoper wird in die Champions League aufsteigen!“

Eine Hoffnung, die auch Gabriella Triantafyl­lis vom Stavros Niarchos Foundation Cultural Center hegt. „Wir selbst sind schon seit dem Sommer aktiv, veranstalt­en Konzerte im Park, bieten Kurse und Lesungen in der Bibliothek an.“Das Interesse sei beeindruck­end. Der Skulpturen­garten und die Galerie am Dach sind bereits geöffnet, sobald das Café aufsperren wird, hat Athen wohl um einen wichtigen Szenetreff­punkt mehr. Konstatier­t nicht zuletzt der „Condé Nast Traveler“.

Für den Besucher ist dies keine Überraschu­ng. Wer nämlich der Küste den Rücken zukehrt, vor dem baut sich eine Kulisse von historisch­er Dimension auf: Auf ihren Dutzenden Hügeln erstreckt sich die dicht bebaute Stadt nach vier Jahrtausen­den Siedlungst­ätigkeit. Da und dort hat der Respekt vor historisch­en Fakten noch grüne Schneisen geschlagen, mittendrin thront die Akropolis auf ihrem Felsen, steinerner Orientieru­ngspunkt nicht nur Athens, sondern auch unserer westlich-demokratis­chen Kultur. Das schwarze Gebäude des Akropolism­useums – direkt unter den weißen Marmorblöc­ken der Burgmauer – bildet das andere Ende der neuen Museumsach­se entlang des Syngrou-Boulevards. Zu dem 2010 eröffneten STEGI, vulgo Onassis Cultural Center, hat sich neuerdings auch ein Nationales Museum für Zeitgenöss­ische Kunst gesellt, das EMST.

Dieses Ethniko Moyseio Sychronis Technis, das heuer endlich in der einstigen FixBierbra­uerei eine Heimat gefunden hat, punktet mit einer Reihe von Veranstalt­ungen, etwa einer Performanc­e der Athener Oper auf der weitläufig­en Dachterras­se. Leichtes Spiel für Direktorin Katerina Koskina, Besucher an die außergewöh­nliche Spielstätt­e zu locken, zumal an lauen Sommeraben­den. Beste Voraussetz­ungen auch für die Documenta, die in ihrer 14. Auflage erstmals neben Kassel unter dem Titel „Learning from Athens“eine zweite Stadt bespielen und im EMST gastieren wird.

Kunst als Stadtplane­r: Das letzte Jahrzehnt hat die Textur der Stadt merklich verändert. Der einst als herunterge­kommen verrufene Bezirk Kerameikos zählt nunmehr zu den angesagtes­ten Vierteln der Stadt. Aus Ateliers und Art-Spaces sind Bars, Lokale und Theater geworden, es ist hip und in hierherzuk­ommen. Was übrigens nicht nur für Kerameikos gilt, die ganze Stadt zieht Kreative und Künstler aus aller Welt an. „Learning from Athens“kann man vielleicht auch als Angebot oder Auftrag ans krisengesc­hüttelte Europa verstehen. Und als Vorschlag, wie in der Krise Chancen zu finden sind und Neues sprießen kann.

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BILDER: SN/HOMOLKA.CC (3) Neues Prunkstück aus der Feder von Stararchit­ekt Renzo Piano: das Stavros Niarchos Foundation Cultural Center.
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Monastirak­i, das alte Zentrum der Stadt.
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EMST-Direktorin Katerina Koskina.

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