Lehr- oder Herrenjahre?
Geht es ums Image, gilt: Matura ist „in“, Lehre dagegen „out“. Nun zeigt sich eine neue Entwicklung: Immer mehr Maturanten entscheiden sich für eine Lehrausbildung.
Fragt man Maturanten nach ihren Zukunftsplänen, bleiben viele von ihnen vage, geben als Ziel aber häufig an, dass sie studieren wollen. Nur die wenigsten von ihnen haben ursprünglich einmal den vergleichsweise langen Ausbildungsweg gewählt, um anschließend in einem Betrieb in die Lehre zu gehen. Lieber wollen sie direkt in die „Herrenjahre“, die „Lehrjahre“scheinen doch recht mühsam und sind gesellschaftlich auch lang nicht so angesehen wie eine akademische Laufbahn. Denn im Gegensatz zu Matura und Studium leidet die Lehre schon seit Jahren unter einem großen Imageproblem. So entscheiden sich trotz sinkender Schülerzahlen immer mehr junge Menschen dazu, die Matura zu machen, während die Lehrlingszahlen gleichzeitig scheinbar unaufhörlich sinken. Bereits 1987 gab es einen ersten Vorstoß, die Lehre auch für Maturanten als praxisnahe Alternative zum Hochschulstudium attraktiv zu machen. So wurde speziell für Absolventen allgemeinbildender oder berufsbildender höherer Schulen die Möglichkeit geschaffen, die Lehrzeit um ein Jahr zu verkürzen.
Dieses Angebot erwies sich immerhin als so erfolgreich, dass es fest etabliert werden konnte, zu einem Boom führte es allerdings nicht. Dazu wogen die vermeintlichen Nachteile für die Schüler noch zu schwer, wie beispielsweise der Altersunterschied zu den Absolventen mit Pflichtschulabschluss. Der beträgt immerhin meist rund drei Jahre, was in der Teenager-Zeit innerhalb einer Klasse viel wiegt. Auch die zunächst niedrig erscheinende Lehrlingsvergütung schreckt viele Maturanten ab.
Als durchschlagendes Erfolgsmodell erwies sich die duale Ausbildung, also die „Lehre mit Matura“, die insbesondere im Bundesland Salzburg gut angenommen wird. Sie wurde 2008 gemeinsam von WK und AK ins Leben gerufen. Bereits 1259 bzw. 15 Prozent aller Lehrlinge im Bundesland Salzburg kombinieren laut Wirtschaftskammer Salzburg (WKS) ihre Lehre mit der Berufsmatura.
Der starke Rückgang der Lehrlinge konnte im vergangenen Jahr so zwar aufgefangen werden, die Zahlen bei den Lehranfängen stiegen sogar wieder leicht an (siehe Kasten). Doch die Wirtschaft vermisst weiterhin schmerzhaft engagierte junge Leute, die sich für einen Lehrberuf interessieren. So erarbeiteten die Sozialpartner weitere Programme und Konzepte, die die steigende Zahl der Maturanten davon überzeugen soll, dass es durchaus Alternativen zum Studium gibt.
Nachdem die „Lehre mit Matura“inzwischen fast ein Selbstläufer ist, können sich die Verantwortlichen nun mehr darauf konzentrieren, Programme aufzustellen, die Maturanten den Einstieg in die Lehre schmackhaft machen. Ziel ist es, die Lehre aufzuwerten und ihr Image auch in der breiten Bevölkerung zu verbessern. Die gezielten Imagekampagnen und Aktionen wie u. a. „Talente-Check Salzburg“zeigen inzwischen Wirkung.
Heuer sind es im Bundesland Salzburg 150 Maturanten, die nach ihrer Matura eine Lehre begonnen haben, und die Tendenz ist „leicht steigend“, wie Rudolf Eidenhammer bestätigt. Der Leiter der Lehrlings- und Meisterprüfungsstelle der WKS weiß, dass der Weg zu deutlich mehr Interessenten in diesem Umfeld aber nicht mit Rosen bestreut ist. „Der rapide Umstieg in den oft noch ungewohnten Berufsalltag mit langen Arbeitstagen und gleichgestellten Kollegen bzw. Mitschülern, die vielleicht jünger sind als sie selbst – das erfordert Umdenken und Flexibilität“, sagt Eidenhammer. In der WKS ist das aktuell ein Thema. „Die Betriebe hier in allen Branchen benötigen engagierte und gut ausgebildete Lehrkräfte“, so Eidenhammer. „Viele von ihnen suchen sogar gezielt nach Maturanten mit guter Allgemeinbildung.“So sind die Betriebe durchaus bereit, solchen Bewerbern besondere Konditionen einzuräumen, sei es nun im Hinblick auf Auslandspraktika oder auch bei der Vergütung, da sie ja häufig älter sind als ihre Kollegen mit Pflichtschulabschluss.
„Aktuell arbeiten wir bei der WKS daran, die Rahmenbedingungen für Maturanten zu verbessern oder zu erneuern“, sagt der Experte für Lehrlingsfragen. Geplant sind beispielsweise eine weitere Verkürzung der Ausbildungszeiten sowie die Bildung von „Maturanten-Klassen“in den Berufsschulen, die den Schülern/Lehrlingen nicht nur ein gleichaltriges Umfeld, sondern auch die Konzentration auf die fachliche Qualifikation ermöglichen. Eidenhammer: „Zudem bereiten unsere Erwachsenenbildungseinrichtungen derzeit konkrete Angebote vor.“Hier ist vor allem das WIFI mit speziellen IT-Ausbildungen im Gespräch.