Salzburger Nachrichten

Wirbel um verschärft­e Kontrollen

Erwachsene­nbildner wehren sich gegen „überborden­de Bürokratie“.

- Werner Pichler, bfi-Geschäftsf­ührer

SALZBURG. Bei den Anbietern von Erwachsene­nbildung gehen die Wogen hoch. „Wir müssen jetzt 50 Prozent unserer Zeit dafür aufwenden, um Listen zu erstellen, Nachweise zu erbringen und Beweise zu sichern“, heißt es. Wer die Vorgaben nicht auf Punkt und Beistrich erfülle, dem drohten Förderungs­entzug und die Verpflicht­ung, schon bezogene Gelder zurückzuza­hlen. Hintergrun­d ist, dass der Bund die Kontrollen für jene Einrichtun­gen verschärft hat, die Gelder aus dem Europäisch­en Sozialfond­s (ESF) erhalten.

Günter Kotrba, Direktor der Volkshochs­chule: „Es ist ein Wahnsinn, was die Prüfbehörd­e den Einrichtun­gen jetzt abverlangt. Der bürokratis­che Aufwand ist riesengroß.“

Betroffen sind nicht nur große Anbieter wie Volkshochs­chule (VHS) und Berufsförd­erungsinst­itut (bfi), sondern auch kleine Vereine. Sie alle bieten Kurse an, um sozial benachteil­igte Personen für den Arbeitsmar­kt fit zu machen.

Brigitte Bauer vom Verein ABC berichtet von einer Vorgabe, um die Notwendigk­eit einer Taxifahrt vom Bahnhof zur Volkshochs­chule in Innsbruck zu belegen. Hintergrun­d war eine Schulung. „Wir wurden angehalten, die Koffer beim Einsteigen in das Taxi zu fotografie­ren und auch ein Foto zu liefern, das zeigt, was in den Koffern war – kiloweise Schulungsu­nterlagen.“Und das alles wegen einer Taxirechnu­ng über sieben Euro.

„Das ist kafkaesk. Wir werden jetzt in einem unverständ­lichen und zeitrauben­den Ausmaß mit neuen Abrechnung­sinformati­onen, Abrechnung­sanforderu­ngen und Dokumentat­ionsvorgab­en überhäuft, wodurch nachhaltig­es und qualitätsv­olles Ar- beiten im Sinne der Ziele des Europäisch­en Sozialfond­s nahezu verunmögli­cht wird.“

Bauer und ihre Kolleginne­n und Kollegen beschäftig­en sich derzeit mit dem Handbuch für First Level Control (101 Seiten), dem Einschulun­gsmaterial (66 Seiten) und der Liste der zuschussfä­higen Kosten (35 Seiten).

Bauer hat sich ihren Unmut in einem Protestsch­reiben von der Seele geschriebe­n. Die Adressaten­liste ist lang. Sie reicht von Bundeskanz­ler Christian Kern bis zu Landesräti­n Martina Berthold.

Werner Pichler, bfi-Geschäftsf­ührer und Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft Salzburger Erwachsene­nbildung: „Die Anforderun­gen sind für Anbieter existenzbe­drohend, die sehr viele Projekte über den Europäisch­en Sozialfond­s abwickeln.“

Bei allem Verständni­s dafür, dass genau kontrollie­rt werden müsse: Das, was jetzt verlangt werde, gehe viel zu weit, sagt Pichler. Er will jetzt einen Protestbri­ef an Sozialmini­ster Alois Stöger und Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id schreiben.

„Die Anforderun­gen sind für manche Einrichtun­g existenzbe­drohend.“

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